Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
Intersubjektivität ist. Nur: Im Gegensatz zu Elvira lässt Pfeifenberger sich das nicht anmerken. Er benutzt das Wort, seit er es im Fernsehen gehört hat – je öfter, desto lieber. Pfeifenberger hat keine Skrupel, Schmalenbach (ungefragt) zu erklären, was Intersubjektivität ist, obwohl Schmalenbach weit und breit der Einzige ist, der mit dem Wort wirklich etwas anfangen kann.
    Niemals würde Pfeifenberger auf die Idee kommen, jemanden zu fragen, was denn mit Intersubjektivität eigentlich gemeint ist. Anders Elvira, die sich unentwegt nach der Bedeutung von Fremdwörtern erkundigt.
    »Daran sieht man, dass Männer intelligenter sind als Frauen«, pflegt Pfeifenberger nach dem siebenten oder achten Bier zu schwadronieren. »Ein Mann gibt sich keine Blöße.« Dabei legt er seinen Arm um Elvira und flüstert: »Aber wenn’s drauf ankommt, passen wir zusammen.«
    Elvira verzieht jedes Mal ihr Gesicht und erklärt, wenn Pfeifenberger intelligenter wäre als sie, würde er sich seinen Teil denken und nicht damit rumprahlen.
    Mit Schmalenbachs Würde als Mann verhält es sich ähnlich wie mit dem Intelligenzquotienten. Schmalenbach ahnt, ja er weiß, dass er so etwas wie eine besondere Würde als Mann hat, aber er verschweigt sie, um sie nicht zu verlieren. Er praktiziert so etwas wie einen aufgeklärten Machismo – zumindest nennt er das insgeheim so, und dabei sollte man es auch bewenden lassen und ihn deswegen nicht weiter löchern.
    Von all dem hat Elke keine Ahnung. Und – eine inständige Bitte an Insider – das sollte auch so bleiben.
    Nichts verträgt Schmalenbachs Würde als Mann nämlich weniger als ein weibliches Schandmaul, das dann erst richtig loslegt, wenn es Schwächen und Empfindlichkeiten wittert.
    Elke hat nun wirklich keinen Grund, sich über Schmalenbachs Verhalten im häuslichen Miteinander zu beschweren. Er respektiert ihre vielfältigen Idiosynkrasien, er wäscht ab, er putzt sogar alle vierzehn Tage das Badezimmer und bringt den Müll häufiger runter als Elke.
    Dennoch hat Elke es getan. Sie hat diesen Aufkleber an den Spülkasten gepappt. Einfach so. Aus purer Zerstörungswut. Frauen sind eben so. Sie sind (wahrscheinlich) nicht weniger intelligent als Männer, sie sind aber eindeutig bösartiger. Einem Mann wäre so was gar nicht erst eingefallen. Und wenn, dann hätte er es aus Scham sofort wieder vergessen.
    Erst hatte Schmalenbach geglaubt, es handele sich um den schlechten Scherz eines Besuchers, und wollte den Aufkleber abkratzen. Er ließ sich aber nicht abkratzen. Auch so eine weibliche Perfidie.
    Schmalenbach beschloss daraufhin, dieses Schildchen zu ignorieren. Im Grunde war es ja auch von einer seltenen Einfallslosigkeit – wie alle bösartigen Übergriffe auf die Würde des Mannes. Ein Strichmännchen, das vor der Toilette steht. Durchgestrichen. Ein Strichmännchen, das auf der Toilette saß. Nicht durchgestrichen. Ein Piktogramm für Analphabeten.
    »Hast du den Aufkleber im Bad gesehen?«, fragte Elke wenig später beiläufig.
    »Welchen Aufkleber?«
    »Der Antistehpinkleraufkleber.«
    »Ach, das ist damit gemeint.«
    »Ich hoffe, es ist in deinem Sinne, dass ich das Schild auf den Spülkasten geklebt habe. Schließlich ist es unsere gemeinsame Wohnung.«
    »Natürlich. Kleb deine Schilder ruhig, wohin du willst!«
    »Es ist auch in deinem Interesse. Du möchtest ja auch nicht, dass deine feinen Freunde, wenn sie uns besuchen, im Stehen pinkeln, oder?«
    »Auf keinen Fall. Wobei ich Wert darauflege, dass keiner meiner Freunde auch nur auf die Idee käme …«
    »Ich sage nur ein Wort: Pfeifenberger. Carola hat mir ihr Leid geklagt.«
    Schmalenbach räusperte sich. »Du hast dieses dämliche Schild also wegen Pfeifenberger in unser Bad geklebt?«
    »Nicht nur.«
    »Wegen wem denn sonst noch?«
    »Germersheimer. Zum Beispiel. Manderscheid ist der Einzige deiner Freunde, der sich setzt. Aber der ist ja auch bisexuell.«
    »Was hat das damit zu tun?«, fuhr Schmalenbach sie an.
    Elke erschrak. »Was hast du denn? Man könnte ja fast meinen, du fühlst dich ertappt …«
    »Ertappt wobei?«
    »Na ja, so wie du auf den Aufkleber reagierst, muss ich ja fast annehmen, dass du …«
    »Ich pinkele seit meiner frühesten Jugend im Sitzen. Wenn meine Mutter uns etwas fürs Leben beigebracht hat, dann das.«
    Elke stand auf und ging ohne ein weiteres Wort ins Bad. Schmalenbach hörte sie am Spülkasten rumkratzen. Er verließ fauchend die Wohnung.
    Im »Promi« stürzte er erst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher