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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe
Autoren: Barbara Wood
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der Herstellung und dem Gebrauch von Medizinen, in Anatomie und wie man Krankheiten diagnostizierte, aber Ulrika wollte nicht in die Fußstapfen der Mutter treten, keine Heilkundige werden.
    Vom Garten aus verfolgte sie, wie nach und nach die für den Abend geladenen Gäste eintrafen, und konnte einmal mehr beobachten, wie die römischen Männer ihre weiblichen Anverwandten mit einem Wangenkuss begrüßten. Nicht unbedingt aus Zuneigung, sondern um zu prüfen, ob ihre Schwestern oder Töchter nach Alkohol rochen. Ständig übten Männer irgendeine Kontrolle aus. Die Frauen in Germanien dagegen wurden, wie Ulrika gehört hatte, von ihren Männern mit weit mehr Respekt behandelt und als ebenbürtig erachtet.
    Vor dem Hintergrund von Roms Villen und Straßen war Ulrika zur Frau herangereift. Sie hatte dicht bevölkerte und lärmende Städte kennengelernt und genoss jetzt ein luxuriöses Leben in einem herrschaftlichen Haus auf dem Esquilin-Hügel. Warum sehnte sie sich dann nach Gebirgen und Wäldern, die in Nebel und Geheimnis eingehüllt schienen? Seit sie lesen konnte, hatte sie alle Schriften über das Volk ihres Vaters – die Germanen – verschlungen, derer sie habhaft werden konnte, hatte deren Kultur und Bräuche, deren Überzeugungen und Geschichte aufgesogen. Sogar ihre Sprache hatte sie sich angeeignet – heimlich. Denn wann immer sie Freundinnen von ihrem Interesse an den Germanen erzählt hatte, war sie auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen.
    Welchen Sinn hatte das alles?, fragte sie sich jetzt, als sie die Gäste erkannte, die im Hof von Tante Paulinas Haus eintrafen, die Damen in fließenden Tuniken, die Herren in langen, kleidsamen Togen. Diente das alles zur Vorbereitung auf die Reise in das Land, in das sie, Ulrika, wirklich gehörte? Es würde keine leichte Reise werden. Wulf, ihr Vater, war noch vor ihrer Geburt gestorben. Und sollte es noch Verwandte von ihm geben, dürfte es für Ulrika ein Ding der Unmöglichkeit sein, dies in Erfahrung zu bringen, geschweige denn, diese Verwandten ausfindig zu machen. Sie wusste nur, dass Wulf ein Fürstensohn und ein Held seines in den Wäldern lebenden Volks gewesen war und dass er ihr eine Blutlinie von rheinländischen Stammesfürsten und mystischen Seherinnen vererbt hatte.
    Eine frische Brise wehte durch den Garten, rührte spielerisch an Ästen und dem feinem Gewebe von Ulrikas langem Gewand. Sie war nach der neuesten Mode gekleidet, die mehrere Schichten Stoff vorschrieb, was durch ein knielanges Überkleid sowie Schals in jeweils verschiedenen Längen und Blautönen – von dunklem Azur bis zur Färbung des morgendlichen Himmels – erreicht wurde. Ihr langes Haar, das geflochten und am Hinterkopf zu einem Knoten frisiert war, verbarg ein weicher safrangelber Schleier, die Palla, die auch die Arme bedeckte und unterhalb der Taille endete. Goldene Ohrringe und Armreife vervollständigten ihre Garderobe.
    Sie fröstelte. Wenn es mir bestimmt ist, von hier wegzugehen, wie soll ich das dann tun?
    »Da bist du ja, Liebes.«
    Ihre Mutter kam auf sie zu. Mit ihren vierzig Jahren bewegte sich Selene anmutig und graziös; feine Leinenstoffe in Rot- und Orangetönen umhüllten die schlanke Gestalt. Ihr dunkelbraunes Haar war am Hinterkopf zu einem schlichten Knoten geschlungen und mit einem scharlachroten Schleier bedeckt.
    »Paulina sagte mir, du seist hier draußen.« Mit ausgebreiteten Armen ging Selene auf ihre Tochter zu.
    Paulina war eine verwitwete Patrizierin, und dies war ihr Haus. Als beste Freundin ihrer Mutter nannte Ulrika sie Tante Paulina. Da Paulina in Roms höchsten Kreisen verkehrte, lud sie dementsprechend nur die Elite der Bürger der Stadt zu sich ein. Zu diesem Kreis gehörte auch Selene, Ulrikas Mutter, als Heilkundige
und
enge Freundin von Kaiser Claudius.
    Als sich Ulrika und ihre Mutter Arm in Arm dem Haus näherten, kamen sie an drei Männern in militärischer Haltung vorbei, die über Angriffsstrategien debattierten. Sie trugen lange weiße Tuniken und darüber purpurfarben gesäumte Togen. Kaum dass sie der beiden Frauen ansichtig wurden, unterbrachen sie ihr Gespräch, um sie zu grüßen und sich vorzustellen. In dem Moment, da der eine, ein gut aussehender Mann mit gebräuntem Gesicht und schneeweißen Zähnen, sich als Gaius Vatinius zu erkennen gab, merkte Ulrika, wie sich die Schultern ihrer Mutter versteiften. »
Befehlshaber
Vatinius?«, sagte Selene. »Müsste ich schon von dir gehört haben?«
    Einer der anderen
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