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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe
Autoren: Barbara Wood
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hoch, worauf sein persönlicher Sklave vortrat und ihm die fetttriefenden Finger abwischte. »Wie mir zu Ohren gekommen ist, werden die Stämme von einem einzigen rebellischen Anführer aufgewiegelt. Weißt du, wer er ist?«
    Ein Schatten verfinsterte Vatinius’ gut geschnittenes Gesicht. »Wir wissen nicht, wer er ist, wir kennen nicht einmal seinen Namen. Wir haben ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Dem Vernehmen nach ist er aus dem Nichts aufgetaucht, und jetzt führt er die germanischen Stämme in eine neue Rebellion. Sie greifen an, wenn wir es am wenigsten erwarten, und verschwinden anschließend spurlos in den Wäldern.«
    Vatinius nippte an seinem Weinbecher, ließ sich dann von einem Sklaven die Lippen abtupfen. »Ich werde diesen Anführer aufstöbern«, fuhr er fort, »und an ihm ein Exempel statuieren, das heißt, ihn öffentlich hinrichten lassen, als Warnung für alle, denen der Sinn nach Aufruhr und Rebellion steht.«
    »Was macht dich so sicher, Befehlshaber Vatinius«, fragte Ulrika, »dass du Erfolg haben wirst? Soviel ich weiß, sind die Germanen listenreich. Was schwebt dir vor, um für einen klaren Sieg zu sorgen?«
    »Ich habe einen Plan, der nicht misslingen kann.« Er lächelte zuversichtlich. »Weil er auf dem Element der Überraschung fußt.«
    Ulrikas Herz raste. Mit zitternder Hand griff sie nach einer Olive. »Ich könnte mir vorstellen«, gab sie zu bedenken, »dass die Barbaren mittlerweile sämtliche Taktiken der Legionen kennen, selbst jene, die auf dem Überraschungsmoment basieren.«
    »Mein Plan geht in eine ganz andere Richtung.«
    »Inwiefern?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das würdest du nicht verstehen.«
    Sie ließ nicht locker. »Soldatengeschichten langweilen mich ganz und gar nicht, Gaius. Ich habe Cäsars Bericht über den gallischen Krieg gelesen. Beabsichtigst du etwa, gegen die Barbaren Kriegsmaschinerie einzusetzen?«
    Statt zu antworten, schaute er sie eine Weile sinnend an, bewunderte das honigbraune Haar, das ovale Gesicht, ihre direkte Art – das Mädchen war weder spröde noch schüchtern! –, und dann, geschmeichelt über ihr Interesse und beeindruckt von ihrem Sachverstand, kam er nicht umhin zu sagen: »Das ist genau das, was die Barbaren erwarten. Ich aber habe etwas ganz anderes vor. Diesmal werde ich sie mit ihren eigenen Waffen schlagen.«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Der Kaiser hat mir für diesen Feldzug völlige Handlungsfreiheit gewährt. Ich habe Vollmacht, so viele Legionäre aufzubringen, wie ich brauche, und so viel an Kriegsmaschinerie, wie ich für nötig halte. Die Barbaren werden Katapulte und bewegliche Türme, berittene Truppen und Fußsoldaten zu sehen bekommen. Alles typisch römisch. Was sie
nicht
zu sehen bekommen«, sagte er und nahm einen Schluck Wein, »sind die Kampfeinheiten, die von Barbaren ausgebildet und angeführt überall in den Wäldern
hinter
ihnen verteilt sein werden.«
    Ulrika starrte Gaius Vatinius an. Eine kalte Faust schien ihr das Herz zu zerquetschen. Er hatte tatsächlich vor, die Germanen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
    Sie senkte den Blick auf ihre Hände, spürte, wie ihr Puls in den Fingerspitzen pochte. Und sie dachte: Es wird ein schreckliches Gemetzel geben.

4
    Ulrika fand keinen Schlaf.
    Unruhig warf sie sich ihren wollenen Umhang über das Nachthemd und verließ das Schlafzimmer. Obwohl es im Haus dunkel und still war, wusste sie, dass ihre Mutter bestimmt noch nicht zu Bett gegangen war. Selene nutzte diese ruhige Zeit für Eintragungen in ihr Tagebuch und um medizinische Texte zu studieren, Medizinen zu brauen. Sie war keineswegs überrascht, als Ulrika bei ihr anklopfte. »Ich dachte mir schon, dass du kommst«, sagte sie und schloss die Tür, sobald ihre Tochter eingetreten war. Eine Kohlenpfanne verbreitete Wärme, unweit davon standen zwei Sessel mit Fußschemeln.
    So bestürzt und verstört Ulrika Tante Paulinas Festmahl auch verlassen hatte, so fühlte sie sich jetzt in diesem kleinen Raum, in dem ihre Mutter heilbringende Tränke, Elixiere, Puder und Salben zusammenmischte, auf einmal besänftigt. Schriftrollen reihten sich neben alten Texten und Papyri – allesamt enthielten sie Zaubersprüche und Gebete und Beschwörungsformeln zum Heilen von Krankheiten. Denn genau das war es, wozu sich Ulrikas Mutter berufen fühlte – kranke Menschen gesund zu machen.
    Sosehr es Ulrika auch drängte, ihrer Mutter endlich einmal von den Visionen und Träumen und Vorahnungen aus Kindertagen und auch
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