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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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von der Strömung treiben.

Der Auftrag
    Stundenlang trieb ich in dem alten Boot auf dem dunklen Wasser. Der viele Regen machte aus dem schmalen Kanal einen reißenden Fluss. Immer wieder musste ich Plastiktüten und Müllreste aus dem Steuerruder ziehen, Inseln aus Schrott und Kunststoff ausweichen.
    Ich war offensichtlich der einzige Mensch, der sich auf diesen Kanal traute. Ich hörte zwar Schreie, sah Rauch und roch Brände. Aber erkennen konnte ich nichts. Mauern verliefen weit oben am Rande der Schlucht.
    Meine Wunde an der Hand pochte, ich blutete noch immer. Ich brauchte einen Verband. Musste den Schnitt desinfizieren. Aber daran war im Müllkanal nicht zu denken. Und der Kanal ging immer weiter. Bald versperrte dichter Nebel die Sicht. Ich musste mich konzentrieren. Mein Boot durfte die sperrigen und spitzen Müllreste nicht rammen. Es hatte schon seit einiger Zeit ein kleines Leck am Boden. Mangels Flickzeug setzte ich mich einfach auf die nasse Stelle.
    Es dämmerte, und ich machte mir Sorgen. Hatte ich irgendein Zeichen von Arne und seiner Büchergilde übersehen?
    Eine graue Mauer tat sich vor mir auf. Das obere Ende des Betons verschwand nach etwa zehn Metern im Nebel. Mein Boot steuerte auf ein dunkles Loch zu. Ein ganzes Arsenal von Kameras, Meldern und Antennen war über dem Loch angebracht. Auf der Barriere sah ich mit roter Farbe gedruckte Buchstaben. Jeder einzelne Buchstabe war größer als ich: Achtung. Stadtgrenze. Lebensgefahr.
    Ich wollte das Boot an den Rand steuern. So weit die Planung. Die Strömung vor diesem Loch war zu stark. Mein Steuerruder riss. Ich schrie, aber darauf reagierten nicht einmal die Überwachungsgeräte. Ist ja alles kaputt nach dieser Bombe, war mein letzter Gedanke.
    Ein kräftiger Sog schleuderte mein Boot in die absolute Dunkelheit. Ich legte mich hin und zog mein Hemd über das Gesicht. Es stank in dem Loch dermaßen, als ob der Müll, der mich in den letzten Stunden überholt hatte, sich hier gesammelt hätte. Das Boot trieb weiter. Immer weiter. Drehte sich im Kreis. Bahnte sich seinen eigenen Weg. Ich schlief irgendwann erschöpft ein.
    Scheinwerfer schreckten mich auf. Wo war ich gelandet? Ich sah vor dem grellen Licht die Umrisse von uniformierten und bewaffneten Männern und Frauen. Mein Boot kam genau vor ihren schwarzen Stiefeln zum Stehen. Zwei kräftige Typen zogen mich heraus und warfen mich auf einen harten Boden aus Metall. Meine Hand schmerzte, und mein ganzer Körper war steif. Ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen.
    Ich erkannte die Bewaffneten in Olivgrün sofort. Die Sicherheits-Scanner! Auch die drei aus der Beisetzungshalle waren unter ihnen! Hatten sie es also doch noch geschafft.
    »Willkommen bei Ultranetz.« Die Stimme spürte ich am ganzen Körper. Das war Nomos. Und das war unmöglich. Hatten sie seinen Tod etwa nur vorgetäuscht? Ich wollte mich aufrichten, schaffte es aber nicht. Einer der Sicherheits-Scanner stand mit seinen Stiefeln auf meinem Rücken.
    Sie leben?, wollte ich fragen. Brachte aber kein Wort heraus. Ich bewegte meinen Mund, hörte aber meine eigene Stimme nicht.
    »Für unseren Zonenflüchtling eine Runde Nador«, rief Nomos.
    Ein Riese von Mann schleifte mich über den Boden, presste mich in einen Stuhl und befestigte mich mit Schnallen.
    Um mich herum standen überall Menschen. Ich sah meine Eltern. Sie blickten teilnahmslos durch ihre Mobrils.
    »Macht Platz für den Arzt«, sagte Nomos.
    Ich traute meinen Augen nicht. Der Mann in Weiß, der eine Nador-Spritze aus der Jackentasche zog, das war Jojo. Er lachte und machte meinen linken Arm frei.
    »Hattest du eine angenehme Reise, mein Freund?«
    Aber das war nicht Jojo, das war Arnes Stimme.

    Ich wachte auf und sah Arne vor mir. Er beugte sich über mich. Seine grauen, langen Haare fielen mir ins Gesicht.
    »Hattest du eine angenehme Reise, mein Freund?«, fragte er wieder.
    Ich suchte lange nach einer Antwort auf diese Frage. Ich war auf der Flucht vor den Sicherheits-Scannern um mein Leben gerannt. Ein Barkeeper hätte mich mit einer Alpha 5000 niedergeschossen, wenn der Anschlag nicht dazwischengekommen wäre. Ich war auf einem Pferd namens Gutenberg quer durch die C-Zone geritten. Und ganz am Ende wäre ich fast in einem Müllkanal ertrunken.
    »Abwechslungsreich jedenfalls«, antwortete ich Arne.
    Ich lag mit trockenen Kleidern, die nicht mir gehörten, auf einem Bett. Umgeben von weißen Wänden in einem höhlenartigen Raum. Ein Verband schützte meinen
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