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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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Extra-Eilmeldung, sonst wäre der Animator nicht von alleine angegangen.
    Ich musste abhauen. Sofort. Ich schritt durch meine Projektion hindurch zum Ausgang.
    »Keine Bewegung!«, rief der alte Mann hinter der Bar.
    Ich drehte mich um und sah ihn genau unter der Digitaluhr stehen. Zwei Minuten und 30 Sekunden vor zwölf. Er richtete eine grün blinkende E-Pistole auf mich. Anscheinend hatte er öfter mal unliebsame Gäste.
    »Hören Sie … ich kann … ich kann alles erklären.« Ich wollte meinen Scan-AG-Ausweis aus der Hosentasche ziehen.
    »Keine Bewegung!«, schrie der alte Mann noch einmal.
    Die eine Hand behielt er an der Waffe. Mit der anderen griff er unter die Theke und zog sich seine Mobril über.
    »Mobril. Kontakt. Polizei«
    Er meldete meine Anwesenheit. Ich konnte die Polizei nicht hören, nur den Barkeeper. »Kein Problem. Ich hab eine Alpha 5000.«
    Eine Minute vor zwölf. Der Mann starrte mich durch seine Mobril an. Der Animator warf neue Bilder in den Raum. Meine Aufnahme vor dem Notausgang der Beisetzungshalle löste sich auf. Ich sah mich stattdessen in der Bar vor der schwarzen Wand stehen. Der alte Mann grinste breit. Er sendete live und war sichtlich stolz darauf. Immerhin trug er zur Verhaftung eines Super-Terroristen bei.
    Eine Moderatorin nannte die Adresse seiner Bar. »Umfahren Sie diesen Ort weiträumig«, forderte sie die Zuschauer in der C-Zone auf. »Es ist mit einem massiven Schusswechsel beim Polizeieinsatz zu rechnen.«
    Ich fragte mich, mit was ich schießen sollte, und hörte die Sirenen der Polizei.
    »Bitte! Lassen Sie mich gehen«, flehte ich den Mann an. »Das ist alles gelogen!«
    Ich hörte mich selbst zeitversetzt aus den Boxen der Bar. Ich dachte an meine Eltern und wie sie vermutlich in diesem Augenblick vor dem Animator die Extra-Eilmeldung verfolgten. Ich musste ihnen etwas mitteilen. Eine letzte Botschaft.
    30 Sekunden vor zwölf. Ich schrie in die Mobril des Barkeepers. »Ultranetz lügt! Setzt diese verdammten Brillen ab! Schaut mich an! Ich bin doch gar nicht bewaffnet …« Ultranetz stoppte die Ton-Übertragung. Ich hörte stattdessen wieder die Warnhinweise der Moderatorin aus den Boxen dröhnen.
    Blaulicht erfüllte den Raum. Eine Armee von Polizisten musste vor der Bar eingetroffen sein. Wieso ging das alles so schnell? Die Polizei ließ sich doch in der C-Zone so gut wie nie blicken. Waren sie mir schon längst auf den Fersen gewesen? So wie die Sicherheits-Scanner?
    Mein Herz raste.
    Was erwartete mich? War jetzt alles vorbei?
    Geboren 2010. Gestorben 2035, im Juli.
    Ich schaute noch einmal zum Barkeeper. Sah die Digitaluhr über ihm.
    Und die Uhrzeit änderte alles.
    Wirklich alles.

Die Uhrzeit
    Die Anzeige der Digitaluhr über dem alten Mann erlosch Punkt zwölf Uhr. Die Neonröhren an der Decke der Bar platzten und verteilten Tausende kleine Splitter im Raum. Der Animator zeigte mich für zwei Sekunden nur noch in 3-D und kurz darauf gar nicht mehr. Das Blaulicht hinter den großen Fenstern war verschwunden.
    Der alte Mann fluchte und zielte weiter mit der Alpha 5000 auf mich. Draußen knallten Fahrzeuge ineinander. Wir versuchten beide, etwas durch die Scheiben zu erkennen.
    Jojos Satz fiel mir ein: So eine Bombe zerhaut die Elektronik. Das hatte er nach dem ersten Anschlag gesagt. Oder?
    Die E-Pistole leuchtete nicht mehr. Ich rannte los.
    Der alte Mann schrie mir hinterher. »Die kriegen dich! Die kriegen euch alle!«
    Die Waffe flog über die Theke in meine Richtung, knallte gegen die schwarze Wand.
    Ich hoffte auf einen Hinterausgang bei den Toiletten. Ich fand keinen und kletterte durch das Fenster raus in eine Gasse. Ich rannte durch den Regen in die Richtung, in der ich das Seniorenheim Sonnenblick vermutete. Ein Mann lag schreiend neben seinem E-Roller. Fünf junge Männer mit schwarzen Stiefeln kamen mir entgegen. Ich dachte an die Sicherheits-Scanner und wurde langsamer, suchte nach einem anderen Weg.
    Die Typen blieben ein paar Meter vor mir bei einem Schaufenster stehen. Sie schauten mich grimmig an.
    »Los jetzt!«, schrie einer von ihnen.
    Die anderen traten die Scheiben ein und trugen Kisten mit Aroma-Tabletten raus. Keine Energie. Keine Alarmanlagen. Keine Gesetze. So einfach war das.
    Ich rutschte auf einer nassen, zersprungenen Glasscheibe aus, landete auf Scherben, stand auf und stolperte weiter.
    Auf einer Straße waren Fahrzeuge ineinander verkeilt. Ein Bus lag quer. Polizisten zogen einen alten Mann aus der Notöffnung.
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