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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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händigte uns das Bargeld aus, mit dem wir die Leser überredeten. Und er gab uns unseren Anteil. Der Verdienst war nicht besonders. Aber besser als nichts.
    Bevor ich bei der Scan AG angefangen habe, hatte ich verzweifelt einen Job gesucht. Mein Altwissen-Studium musste ich nach ein paar Monaten abbrechen. Die Studiengebühren waren zu hoch. Ich konnte mir keine Mobril-Vorlesung mehr leisten. Ganz zu schweigen von den Real-Veranstaltungen an der Uni. Selbst in der letzten Reihe waren die Preise noch unverschämt teuer.
    Erst wollte ich es nicht wahrhaben. Ich suchte nach Nebenjobs. Aber auch die alte Lehrmeisterin konnte mir nicht helfen. So nannte ich meine Lieblingsprofessorin. Sie schickte mir Anzeigen über die Mobril zu. Täglich.
    Schnellkurs: In vier Wochen zum Allfach-Lehrer (B-Zonen-Lizenz).
    Seniorenlager in C-Zone sucht engagierte Pflegekräfte – auch ohne Vorkenntnisse.
    Nach meinem Studienabbruch fand ich dank Jojo immerhin dieses Buchagenten-Ding. Als ich längst für Ultranetz arbeitete, erhielt ich immer noch ihre Anzeigen. Irgendwann löschte die Zonenverwaltung das Studienfach. Altwissen hatte von einer privaten Prüfagentur (Master & Partner) ein mieses Rating bekommen.
    Zu wenig Sponsorengelder , hieß es in einer Erklärung der Zonenverwaltung, erfordern diesen wichtigen Schritt . Und: Es ist ein Schritt in die Zukunft! Sogar ich hatte dafür bald Verständnis. Alles Altwissen war längst digitalisiert. Jeder konnte es auf Lexi-Ultranetz abrufen. Jederzeit! Kostenlos!
    Mein Chef Nomos hatte mich im Vorstellungsgespräch ausgelacht, als er von meiner Unizeit hörte.
    »Altwissen? Was wolltest du damit anfangen?«
    »Ich interessiere mich für Politik. Also, bin neugierig … Und dachte, vielleicht …«
    Er unterbrach mich und schrie mich an. »Studiere die Zukunft! Sei wirklich neugierig, nicht altgierig. Verstanden?«
    Ich verstand und bekam den Job.
    Die Zonenverwaltung verkündete an der Uni das Ende von Altwissen, und meine alte Lehrmeisterin war verschwunden. Spurlos. Ohne eine Mobril-Nachricht. Ich erhielt von ihr keine Anzeigen mehr. Keine Ratschläge. Nichts.
    Ich machte mir Sorgen. Eine Weile suchte ich in ihrem Ultranetz-Profil nach Familienmitgliedern. Sie hatte nur 500 eingetragene Freunde (ich: 8500) und keine besten Freunde mit Premium-Status (ich: 650).
    Ich schickte eine Nachricht an all ihre Freunde. B-Zonen-Joni antwortete als Einziger. Sie kam nach der Abschiedsrede an der Uni nicht mehr nach Hause. Keine Ahnung, woher das B-Zonen-Joni wusste. In der B-Zone lebte sie sicher nicht.
    Die Arbeit mit Jojo bei Ultranetz lenkte mich ab. Ich kannte ihn seit der Schulzeit. Und bei den Abschlusstests waren wir ein gutes Team. Ich machte seine Prüfung in Altwissen (Schwerpunkt: 2015 – vom Finanzkollaps zum Krieg), Jojo meine in Mathe (keine Ahnung, welches Thema).
    Wir tauschten dazu einfach unsere Mobrils aus. Schummeln interessierte sowieso keinen. 400 Schüler saßen in der Halle dicht an dicht nebeneinander. Lehrer hab ich in den letzten Schuljahren nur noch in der Mobril gesehen. Wenn überhaupt. Jojo studierte nach der Schule an einer Privatuni von Ultranetz. Dort muss er wohl zu viel herumgespielt haben und landete schließlich bei den Buchagenten.

    Jojo und ich schwiegen uns nun schon eine Weile im Metro-Gleiter an. Ich zählte wieder Wohnblöcke. Ich würde Jojo später ausrechnen lassen, wie viele Leute in diesem Quartier wohnten. So weit kam es nicht. Der alte Mann neben mir packte ein Buch aus. Bestimmt hatte er unser Gespräch mitbekommen und wollte das Geld.
    »Was wollen Sie für das Bündel Papier haben?«, fragte Jojo keine zwei Sekunden später. Wir sagten nie Bücher. Wir sprachen in Altsprech von Wälzern, Schmökern, Schwarten oder Schinken.
    Das lernten wir bei Nomos in der Zentrale. Dort wiederholte er Seminar für Seminar den Satz: »Denkt an unseren Traum! Alles Wissen für alle! Jederzeit! Kostenlos!«
    Der Alte antwortete nicht auf Jojos Frage. Er schlug sein Buch auf. Lehnte sich zurück. Und las darin. Jojo gab nicht so schnell auf. »Würde sagen, ich gebe Ihnen einen Zehner.«
    Das war lächerlich wenig, doch so hatten Jojo und ich am meisten Erfolg. Immer nannten wir zuerst einen winzigen Betrag. Daraufhin verteidigten die Leser ihr Papierbündel.
    »Das Buch ist unverkäuflich.«
    »Das gedruckte Wort ist unbezahlbar.«
    »Dieses Werk wird seinen Besitzer nie wechseln.«
    Zeit für die zweite Stufe. Jojo griff in seine Jackentasche und zog ein
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