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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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die Stirn an der Ablage, fluchte und öffnete die Augen.
    Im Spiegel sah ich einen blassen, müden, aber immerhin glatzigen Buchagenten und ein paar handgeschriebene Wörter in grüner Farbe.
    Morgen früh, 8 Uhr, Sunshine Café, C-Zone, 20. Quartier. Bis bald! Arne

Das Kopfgeld
    Zu Hause (A-Zone, 8. Quartier) hielt ich einen Finger an die Tür. Mzzzp.
    Mein Vater kam mir im Hausflur entgegen. »Du siehst aus, als hätte dich jemand eine Woche im Metro-Gleiter eingesperrt.«
    Besser könnte ich meinen Zustand nicht beschreiben, wollte ich sagen. Da war er schon im Wohnzimmer verschwunden.
    Ich folgte ihm. »Jojo und mir ist heute was Unglaubliches passiert.«
    Mein Vater setzte sich seine Mobril auf. »Mobril. Kontakt. Lars.« Er hatte gleich Nachtschicht, und Lars, sein Kollege, wollte ihn abholen. Mein Vater arbeitete als Ingenieur für die Firma, die Magnetgleise für Gleiter verlegte. Mein Albtraum war seine Leidenschaft.
    »Unglaubliches ist passiert?«, fragte mein Vater.
    »Ja, und zwar …«
    »Schön«, sagte er. Er hatte Lars in der Mobril. »Hey, wie ich sehe, bist du schon in meiner Straße. Ich komme raus!«
    »Na, also dann …«, sagte ich zur Tür. Mein Vater war schon weg.
    Arbeit war für ihn alles. Keine Arbeit, keine A-Zone. Und seit der Sache mit Mike hatte mein Vater richtig Angst. Der Abteilungsleiter hatte Mike fristlos entlassen. Und so ist Lars an die Stelle gekommen.
    »Eine altersbedingte Freisetzung«, hieß es in der offiziellen Erklärung. Lars, der neue, war 22 Jahre alt. Die Leute hatten entweder eine Alterszusatz-Extra-Versicherung abgeschlossen oder etwas auf die Seite gelegt. Wer nicht versichert war und kein Geld auf der Seite hatte, der zog zu seinen Kindern. Wer keine Kinder hatte oder, noch schwieriger, wer Nachwuchs hatte, der da nicht mitspielte, der landete in der C-Zone. Und dort in den Randquartieren am Stadtende.
    Mike hatte weder eine Versicherung gehabt noch Geld, Kinder oder Lust auf die C-Zonen-Randquartiere. Nach seiner letzten Nachtschicht lud er meinen Vater zum indischen Imbiss ein. Ich verfolgte das Treffen über meine Mobril. Mein Vater hatte mir eine Einladung zugeschickt.
    »Ich mach Schluss mit dem Ganzen«, sagte Mike.
    Die Zahl der Zuschauer stieg sprunghaft von 232 auf 680. Ich hatte die Einladung an meine Freunde weitergeleitet, und manche von ihnen hatten offenbar wiederum ihre Freunde eingeladen.
    »Ruhig bleiben. Wir finden was für dich, kannst dich darauf verlassen«, sagte mein Vater.
    482 Zuschauer.
    »Was finden? Als Rentner Rentner pflegen? In einer C-Zonen-Fabrik schuften?«
    54 Zuschauer.
    »Es gibt auch noch …«
    18 Zuschauer.
    »… nichts gibt es. Alles ist vorbei.«
    »Zweimal Aroma-Yogi-Tee?«, fragte der Kellner.
    Mike nickte.
    »Ich bring mich um.«
    1048 Zuschauer.
    Der Kellner servierte Tee mit Yogi-Aroma.
    »Mach mal langsam«, sagte mein Vater. »Hab die Wohnung auch noch nicht abbezahlt. Und bringe ich mich deswegen gleich um?«
    »Du hast einen Job. Ich nicht!«, sagte Mike.
    Drei Stunden später legte sich Mike irgendwo im 5. Quartier auf eine Magnetschiene und aktivierte seine Mobril. »Mobril. Kontakt. Abteilungsleiter.«
    Sein Vorgesetzter nahm den Mobril-Kontakt an. Er hörte Mikes Stimme, und er sah das, was Mike sah. In diesem Moment war das eine breite Magnetschiene und ein heranrasender Metro-Gleiter.
    »Sie sind schuld«, schrie Mike.
    Der Abteilungsleiter sagte nichts. Das musste alles zu schnell gegangen sein. Vielleicht zuckte er zusammen, als die grellen Signallichter des Gleiters vor sich in der Brille auf ihn zurasten.
    Woher ich das alles weiß? Alle wissen es! Mike übertrug die Mobril-Aufnahmen an seine Mobril-Basis zu Hause. Seine Ex-Frau hatte Zugriff zur Basis. Sie stellte den Film ins Ultranetz.
    Mein Freund Jojo gehörte zu den Ersten, die die Bilder sahen. Er hatte ein Mobril-Abo für die besten Filme auf Ultranetz . Mikes Suizid landete an diesem Vormittag auf Platz eins. Mehrere Stunden Mobril-Kommentare sammelten sich an.
    »Aua! Das tat sicher weh! Breites Grins«, meinte Sabi-2009.
    Bob48 knackte Mikes Ultranetz-Profil. Er veröffentlichte Mobril-Filme der letzten 15 Jahre, alle Fotos und Kontaktlisten. »Die Wahrheit ist …«, textete Bob48 und machte somit auf das ganze Material neugierig.
    Eine ganze Nacht schaute ich mir Mikes Fotos an. Angefangen von seiner Ausbildungszeit. Er hatte eine sehr hübsche Freundin damals. Auch wenn ihre langen, schwarzen Haare mich irritierten. Mit
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