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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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Glatze wäre sie perfekt gewesen.
    Mein Vater wollte das alles nicht sehen. Er glaubte nicht an den Selbstmord seines besten Freundes. Erst als Mikes Frau eine Einladung zur Trauerfeier per Mobril verschickte. Es war das erste und letzte Mal, dass ich meinen Vater weinen sah. Und irgendwie rührte mich das.
    Mike und seinen Protest verstand ich nicht. Und ich machte das, was ich immer machte, wenn ich mit irgendetwas gefühlsmäßig nicht klarkam. Ich schaute Mobril-Filme. In diesem Fall noch mehr aus dem Leben von Mike, die Bob48 dankenswerterweise bereitgestellt hatte. Die Hochzeitsbilder, ein heftiger Ehe-Streit vom Nachbarn gefilmt, die romantische Versöhnung (vergessen, die Mobril zu deaktivieren?) und O-Töne zur Scheidung zwei Jahre später.
    Der Abteilungsleiter von Mike verlor noch am gleichen Tag seinen Job. Die Baufirma schaltete eine Anzeige auf Ultranetz.
    »Alles Heuchler«, sagte mein Vater aufgebracht. Und er sprach den längsten Text, den ich je am Stück von ihm gehört habe. »Der Nachfolger ist ein noch schlimmerer Typ, der genauso jeden ab Mitte 50 aus fadenscheinigen Gründen feuert. Und zwar deswegen, weil das die Ansage von oben ist …«
    Mein Vater war offiziell Mitte 40. Bevor er bei der Firma anfing, hat er seine Daten auf dem Rechner der Zonenverwaltung auffrischen lassen. Das ist verboten und somit teuer. Ein Programmierer, der sich noch besser als Jojo auskennen musste, erledigte das für ihn. In der C-Zone wimmelte es angeblich von Typen, die illegale Dienstleistungen anboten.

    Mein Vater kam noch einmal in die Wohnung. Sein Kollege wartete draußen im Fahrzeug. Ich stand noch immer im Flur. Der seltsame Leser im Metro-Gleiter, Arne Bergmann, und seine Spiegelbotschaft gingen mir nicht aus dem Kopf.
    Mein Vater schaute kurz zu mir. »Sag Jojo, er soll besser auf dich aufpassen.«
    »Was vergessen?«, fragte ich.
    »Ja. Pausenfutter.«
    Er eilte Richtung Küchenbox.
    »Würd ich lassen!«, warnte ich ihn. »Wollte selbst gerade was essen. Aber Mama hat dort ein Meeting.«
    »In der Küchenbox?«
    »Ist eine Verabredung zum Kaffee.«
    »Über Mobril?«, fragte er.
    »Über Mobril.«
    »Na, dann schleiche ich mich an der Kamera vorbei.«
    Er trat ein, und sie taten das, was sie in den seltenen Momenten der Zweisamkeit immer machten. Sie stritten. Ich lehnte mich an die Tür zur Küchenbox.
    »Können wir das Meeting in fünf Minuten fortsetzen? Ja? Danke. Ja, ich kontaktiere Sie gleich.« Ihre freundliche Stimme wechselte zur Streitstimme.
    »Ich hab gerade ein wichtiges Meeting!«
    »Ich hol mir nur etwas aus der Aromazelle.«
    »Wenn ich auf Arbeit ständig vor deiner Mobril herumtanzen würde, was wäre dann?«
    Lars klingelte. »Eine Minute noch!«, schrie mein Vater.
    »In einer Minute sind wir zwei hier noch nicht fertig«, sagte meine Mutter.
    »Musst du immer mit der Mobril überall im Haus sein? Was würde ich dafür geben, wenn ich ohne Mobril arbeiten könnte«, sagte mein Vater. Ein altes Thema der beiden. Auf seiner Arbeit musste jeder Mobril tragen.
    »Was dagegen, wenn dein Chef sieht, was du machst?«, fragte meine Mutter.
    »Nein. Aber es macht mich …«
    »Nur Faulenzer haben Angst vor der Mobril.«
    »… es macht mich …«
    »Und Arbeitsverweigerer!«
    »… es macht mich aber …«
    »Teamarbeit erfordert Mobril!«
    »… nervös. Das macht es mich. Und du machst mich auch nervös.«
    Lars klingelte. Mein Vater trat aus der Tür, wir stießen zusammen. »Und du lauschst mit der Mobril und stellst das ganze wieder auf Ultranetz. Oder?«
    »Nein. Nur meine Freunde können gerade zuschauen …«
    »Und wie viele schauen gerade zu?«
    Ich blickte ins linke Feld über dem rechten Auge. »124«, sagte ich.
    »Und wenn einer der Idioten das Ganze auf Ultranetz stellt?«
    »Jetzt sind es schon 420. Und lass uns nicht schon wieder über die Mobril diskutieren.«
    »Auch nicht über die Kosten? Wie oft hab ich dir schon Geld geliehen?«
    Die Richtung gefiel mir gar nicht. »Mobril. Sperrung für Freunde.« Nur noch die besten Freunde mit Premium-Status konnten ab jetzt folgen. Das reichte auch.
    »Weißt du, was dich reale Treffen kosten würden?«, fragte ich meinen Vater. »Und wie billig im Vergleich so eine Mobril-Verabredung ist?«
    »Ich fahr dann jetzt mal los«, schrie Lars.
    »Und Jojo hat auch …«, sagte ich.
    »Jojo ist nicht nur Buchagent. Der hat zig private Aufträge. Der kann sich das leisten.«
    Wieder so ein wunder Punkt. Jojo hatte wirklich immer
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