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Zaertliches Duell

Zaertliches Duell

Titel: Zaertliches Duell
Autoren: Georgette Heyer
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Eine heimliche Affäre
    Miss Tresilian betrachtete das junge, vor ihr stehende Paar mit Sorge in ihren sonst so munteren grauen Augen. Nicht daß am Anblick, den Mr. Rosely und Miss Lucy Tresilian boten, etwas auszusetzen gewesen wäre, denn ein besser aussehendes Paar war nicht leicht zu finden: Die junge Dame war eine strahlende Brünette, der junge Herr ein hübscher Bursche mit goldenen Locken, klassischen Zügen und einer guten Figur. Er trug, korrekt für einen vormittäglichen Besuch, einen blauen Rock mit hellen Beinkleidern und hohen Stiefeln; und wenn die Falten seines Halstuchs auch nicht mit der Perfektion eines Dandys gelegt waren, so konnte man doch leicht erkennen, daß er sie sehr sorgfältig arrangiert hatte. Mit einem Wort, Mr. Roselys Kleidung entsprach dem einmaligen Anlaß seines Besuches: Er war gekommen, Miss Tresilian um die Hand ihrer Nichte zu bitten.
    Mit schüchternem Lächeln sagte er: »Es kann, glaube ich, keine Überraschung für Sie sein, Madam! Sie waren so liebenswürdig, daß ich überzeugt bin – das heißt, ich wage zu hoffen, daß Sie keine Einwände haben.«
    Es war auch tatsächlich keine Überraschung für Miss Tresilian. Beinahe ein Jahr war vergangen, seit Mr. Rosely Lucy in Bath vorgestellt worden war; und obwohl es Lucy nicht an Bewunderern fehlte, und obwohl kaum anzunehmen war, daß es jemandem, der vom Schicksal mit so gutem Aussehen und ansehnlichem Vermögen bedacht war wie Mr. Rosely, an guten Partien mangeln konnte, hatte sich seit diesem Augenblick an der Verbundenheit der beiden nichts geändert. Auch konnte Miss Tresilian nicht leugnen, daß sie den Bund begünstigt hatte; er war ihr außerordentlich standesgemäß erschienen.
    »Natürlich hat sie keine Einwände!« sagte Lucy. »Du wußtest von Anfang an, wie es steht, nicht wahr, Tante Elinor?«
    »Ja«, gab Miss Tresilian zu, »aber erst als ich dich nach London brachte, erfuhr ich, daß Arthurs Familie die Verbindung nicht billigt.«
    »O nein«, sagte er rasch. »Das trifft bloß auf Iver zu! Meine Schwester ist ganz entzückt.«
    »Und Lord Iver ist nur Arthurs Cousin«, sagte Lucy. »Außerdem ein entfernter Cousin! Eigentlich kaum ein Verwandter.«
    Schüchtern wandte er ein: »Nun, er ist etwas mehr als das, er ist nämlich mein Vormund, mußt du wissen. Ich möchte ihn um nichts in der Welt kränken, nur in diesem Fall meint er, wir seien beide zu jung – oder einen ähnlichen Unsinn! Er wird sich umstimmen lassen! Vor allem, wenn ich ihm sagen kann, daß Sie die Heirat nicht mißbilligen, Madam!«
    »Nein, ich mißbillige sie nicht«, sagte Miss Tresilian, »aber ich pflichte Lord Iver bei, daß ihr sehr jung seid. Das ist Lucys erste Saison, wissen Sie, und –«
    »Wie kannst du so etwas sagen, Tante?« protestierte ihre Nichte. »Zwar wurde ich erst vor einem Monat bei Hof vorgestellt, aber du weißt doch, daß du mich bereits vor einem Jahr in die Stadt gebracht hättest, wenn Tante Clara nicht behauptet hätte, sie wäre zu indisponiert, um allein gelassen zu werden. Schließlich bin ich neunzehn und besuche seit mehr als einem Jahr in Bath Gesellschaften!«
    »Ja, meine Liebe, aber ich weiß erst seit kurzem, in welcher Situation sich Arthur befindet. Ich wußte nicht, daß er einen Vormund hat, und noch viel weniger –«
    »Nein, nein, Madam«, unterbrach Mr. Rosely sie ängstlich. »Jetzt, da ich mündig bin, ist Iver nicht mehr mein Vormund, sondern bloß mein Treuhänder! Er hat keine Möglichkeit, diese Ehe zu verhindern – er hat keine Gewalt über mich!«
    »Es scheint mir, daß er, da er bis zu Ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr über Ihr Vermögen verfügt, sehr viel Gewalt über Sie hat«, erwiderte Miss Tresilian trocken.
    Mr. Rosely sah verwirrt aus, meinte aber: »Das würde er nie ausnützen – ich weiß es. Die Leute halten ihn für tyrannisch, aber zu mir war er es niemals. Der reizendste aller Vormunde – und dabei muß er mich zum Teufel gewünscht haben, denn ich war erst acht Jahre, als mein Vater starb, und er nicht viel älter als fünfundzwanzig. Ich wundere mich, daß er mich nicht in meinem Haus erziehen ließ, denn ich war gewohnt, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen wie ein Hündchen.«
    Dazu äußerte sich Miss Tresilian nicht. Es schien ihr unwahrscheinlich, daß Mr. Rosely seinem Vormund Iver jemals Grund gegeben haben könnte, eine tyrannische Veranlagung zu zeigen; denn obwohl sie die liebenswürdige Sanftmut seines Naturells nicht leugnen konnte,
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