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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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Immerhin hatten sie keine Zeit mehr für mich.
    Egoist, dachte ich und sah eine alte Frau, die mitten auf der Straße neben ihrem Rollstuhl saß. Sie kämmte sich seelenruhig ihre grauen, langen Haare. Mitten im Regen. Mitten im Chaos.
    Ich hörte ein ohrenbetäubendes Heulen und schaute zu den dunklen Gewitterwolken. So ein grelles Geräusch hatte ich noch nie gehört. Auf einmal erkannte ich die Umrisse eines riesigen Solar-Gleiters. Der Flughafen war in der B-Zone. Diese Maschine hatte hier nichts zu suchen.
    »Da! Da!«, sagte ein kleines Mädchen, das plötzlich neben mir stand. Es passte nicht in dieses Quartier mit all den alten Menschen.
    »Aua!«, sagte das Mädchen, zeigte auf die alte Frau und stupste mich an.
    Ich schaute zur alten Frau. Das Mädchen zog an meiner Hand, schrak zurück. Ich blutete. Komisch, ich hatte beim Sturz auf die Scheibe nichts gespürt. Ich spürte noch immer nichts. Ein Mann schloss das Mädchen in seine Arme und lief weg mit ihm. Es winkte mir hinterher.
    Der Gleiter kam, setzte zur Notlandung auf der vollgestopften Straße an. Ich schaute zur alten Frau. Inzwischen hielt sie einen kleinen Spiegel vor ihr Gesicht.
    Ich rannte los. Kniete mich vor sie hin, hörte, wie sie immer wieder »er will nicht mehr« sagte. Ich hievte sie auf den Rollstuhl und schob sie von der Straße. Ein paar Meter über uns heulte der Solar-Gleiter hinweg. Er setzte auf, zermalmte eine Flotte von E-Bussen, E-Autos und E-Rollern. Außer Funken, Rauch und Feuer erkannte ich nichts mehr.
    Der alten Frau war das egal. Sie schlug mit der Hand auf den Motor unter dem Sitz.
    »Er will nicht mehr!«
    Sie kämmte sich weiter und schaute mich dabei so vorwurfsvoll an, als hätte ich ihren Rollstuhl kaputt gemacht.
    »Alles funktioniert gerade nicht«, sagte ich.
    »Er will nicht mehr.«
    »Wo wohnen Sie? Ich bringe Sie schnell dorthin.«
    »Er will nicht mehr.«
    »Wo können wir ihn reparieren?«
    Die alte Frau griff in ihre Handtasche und streckte mir eine Plastikkarte entgegen. »Bewohner-Nummer 3353. Seniorenheim Sonnenblick.«
    Ich spürte endlich wieder so etwas wie Zuversicht. »Wie kommen wir da hin?«, fragte ich.
    »Er will nicht mehr«, sagte die Frau, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
    Um uns herum wurde es noch hektischer.
    »Wo ist die nächste Medizin-Station?«
    »Was ist passiert?«
    »Hat es auch die A-Zone erwischt?«
    »Seniorenheim Sonnenblick?«, fragte ich einen Mann, der zum brennenden Solar-Gleiter lief.
    Als den Top-Terroristen erkannte mich keiner von ihnen. Ich war der nette Senioren-Pfleger von nebenan. Und ich musste mich alleine zurechtfinden.
    Ich schaute mir die Gasse an, aus der ich gekommen war, und überlegte, wo die Bar und somit das Seniorenheim sein mussten. Ich schob den Rollstuhl im Zickzack am E-Chaos vorbei.
    An der ersten Kreuzung bog ich links ab und sah den Eingang der Bar. Davor standen die demolierten Polizeiwagen. Aber keine Polizisten. Ich lief über die Straße und blieb vor einem Tor mit getönten Scheiben stehen.
    Ich überlegte noch, wie ich reinkommen sollte, da schob jemand von der anderen Seite langsam das dicke Glas zur Seite. Der Mann war nicht viel älter als ich. Er trug einen schwarzen Regenmantel mit gelber Aufschrift: Sonnenblick. Luxus für die reifen Jahre.
    Er stellte sich vor die alte Frau im Rollstuhl. »Nummer 3353! Wo waren Sie bloß? Die Terroristen schlagen zu, und die gute alte 3353 geht wieder mal auf Weltreise!«
    Ein Pfleger legte ihr eine Packung Nador auf die Handtasche. Sie wischte die Pillen auf den Boden und holte wieder Kamm und Spiegel heraus. Der Pfleger schimpfte. Ich tat so, als ob ich irgendetwas zu sagen hätte.
    »Ich glaub, ihr geht’s gut, sie …«
    »Anordnung der Chefin«, unterbrach mich der Pfleger. »Zweimal Nador alle zwei Stunden für jeden Bewohner. Damit die Sonne scheint, bis da draußen wieder Ruhe ist.«
    Ich sagte nichts mehr.
    Der Torwächter mit dem Regenmantel zeigte auf mich. »Sind Sie zufälligerweise Rob?«
    Ich starrte ihn wortlos an und dachte an die Extra-Eilmeldung aus der Bar.
    »Anmeldung für zwölf Uhr? Besuch Ihres Großvaters?«
    »Mein Opa?«, fragte ich verwundert. Dann fiel mir Arnes Geheimniskrämerei ein.
    »Ach so … ja … also … wo ist er denn?«
    Der Mann im Regenmantel zog eine Augenbraue nach oben. Er schüttelte den Kopf und zeigte zu einer Tür. Über ihr stand Sonnenblick-Innenhof mit Freizeitanlage . Bei der Tür angekommen, drehte ich mich zur alten Frau um
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