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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner
Autoren: Robert Sonntag
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verletzten Handballen. Ich streckte die Finger, konnte sie bewegen. Immerhin.
    »Ein paar Leute von uns haben dich am Kanal erwartet. Sie haben dich und unser Boot herausgefischt.«
    »Wie der Wurm am Angelhaken«, sagte ich leise.
    Arne lächelte.
    »Und wo bin ich?«, fragte ich.
    »In der Basis. Du hast hier draußen die Nacht seelenruhig geschlafen. Während in der Stadt weder Mobril noch Aromazellen funktionieren und für die Leute deswegen die Welt untergeht.«
    Ich wollte mehr über das Chaos hören. Über die Opferzahlen. Über die technischen Schäden. Über den genauen Ort, an dem ich mich befand. Aber Arne erzählte wie immer nicht das, was ich wissen wollte. Ich hatte seine Monologe schon fast vermisst.
    »Ultranetz verdient gerade viel Geld mit den Reparaturen. Jeder möchte eine Mobril mit E-Bomben-Sicherung haben. Die entsprechenden Teile liegen ganz zufällig massenweise im Lager des Konzerns.«
    Arne schaute mich an. Ich kapierte gar nichts.
    »Vor einer Stunde hat der Konzern verkündet, dass sein kompletter Datenspeicher zerstört wurde. Natürlich sind auch alle gescannten Bücher für immer weg. Das Lexi-Ultranetz gelöscht. Alles.«
    »Und in den anderen Städten?«
    Arne deutete mit zwei Händen eine Explosion an.
    »Alles gelöscht?«, fragte ich.
    »Alles Wissen für alle! Jederzeit! Kostenlos!«, sagte Arne.
    Ich zählte eins und eins zusammen. Kam dabei nicht auf zwei. Arne musste meine Verwirrung bemerkt haben.
    »Ohne die alten Zeitungen, Zeitschriften und Bücher auf Ultranetz, ohne Lexi-Ultranetz hat der Konzern die absolute Informationshoheit.«
    »Der Konzern kontrolliert nun endgültig, was man wissen darf und was nicht«, sagte ich.
    »Glückwunsch, Rob. Du hast es endlich verstanden.«
    »Hab nur mehr Hirn und weniger Mobril verwendet.«
    Wir lachten beide.
    »Was ist aus der geheimen Bibliothek geworden?«, fragte ich.
    Arne hantierte an einer uralten, schwarzen Maschine herum. Es ratterte, rauschte und dampfte. Er reichte mir einen Becher mit Kaffee.
    »Wir werden eine neue aufbauen müssen. Wir konnten unmöglich alle Bücher unbemerkt über den Müllkanal transportieren.«
    Wir gingen einen langen Gang mit Verzweigungen und Türen entlang. Achtung Natur. Aufstieg verboten. Nur im Brandfall nutzen! , las ich über einer.
    »Falls du mal frische Luft brauchst, die Treppe dahinter führt zum Wald.«
    »Echter Wald?«
    Arne erklärte, erklärte, erklärte. Ich hörte nicht mehr richtig zu. Was sollten wir hier in diesen Tunneln unter diesem Wald mit echten Bäumen überhaupt? Nach zehn Minuten standen wir in einem Tunnel, der groß genug für einen Metro-Gleiter war.
    »Hier fuhren vor dem letzten der großen Kriege Züge. Nachdem jeder geflüchtet war, holte sich die Natur vieles zurück. Nur hier unten wollte nichts wachsen.«
    »Und was macht die Büchergilde an diesem verlassenen Ort?«, fragte ich.
    Arne band sich wortlos die Haare zu einem Zopf zusammen. Dieser alte Geheimniskrämer, dachte ich und täuschte mich zum ersten Mal.
    »Komm mit!«, sagte er.
    Wir standen in einem riesigen Raum voller Maschinen. Ich erinnerte mich an das Technische Museum, das ich in meiner Schulzeit besucht hatte. Kurz bevor das Museum schloss, weil es viel praktischer über Ultranetz besucht werden konnte. Jojo und ich waren auf die Geräte geklettert und hatten uns darin versteckt.
    Die Museumsmaschinen waren leblos. Die Maschinen hier unten schnauften schwer vor sich hin. Ein paar Dutzend Leute arbeiteten an ihnen.
    »Das ist unser Bergwerk«, sagte Arne.
    Auch davon hatte ich als Kind mal gehört. »Und was fördert ihr?«
    Arne dachte einen Moment lang nach. »Wissen. Wir fördern Wissen aus diesem Bergwerk.«
    Ich fragte nicht weiter, sondern blickte zwei jungen Frauen nach, die Papierrollen trugen.
    »Das ist unsere Druckerei«, erklärte Arne.
    »Wie habt ihr die von der Stadt durch den Müllkanal bekommen?«
    »Die stand nie in der Stadt.«
    »Wo sonst?«
    »Woanders.«
    »Verstehe«, sagte ich und verstand gar nichts. Aber ich konnte inzwischen mit Arnes Antworten ganz gut umgehen.
    »Und was für Bücher druckt ihr?«, fragte ich.
    »Die Bücher, die du und deine Kollegen in den letzten Jahren gescannt haben.«
    »Ihr habt die Daten?«
    »Wir drucken alles. Unzensiert.«
    »Und dann?«
    »Wir wollen sie in den Städten verteilen.«
    Langsam verstand ich. Deswegen brauchten sie also Leute wie mich. Sie suchten junge Boten, die sich in der Stadt auskannten, die wussten, wo sich Leser
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