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Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Titel: Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
Autoren: Sam Millar
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ist. Aber sie ist
nicht
weggelaufen. Ich empfange Schwingungen von ihr. Sie hätte es mir gesagt. Ich weiß, dass die alle lügen. Sie müssen mir glauben …«
    »Ruhig. Ruhig. Vergiss nicht, Luft zu holen«, sagte Karl lächelnd. »Komm erst mal ein bisschen runter.«
    »Tut mir leid.«
    »Ehrlich gesagt, arbeiten wir samstags nicht, Geraldine, und normalerweise kümmern wir uns auch nicht um Ausreißer. Warst du schon bei der Polizei?«
    »Ja«, sagte Geraldine und nickte halbherzig.
    »Was haben die gesagt?«
    Geraldine presste die Lippen zusammen. Es sah aus, als würde die Gesichtshaut über den Schädelknochen gleich reißen. »Die lügen.«
    »Was sie Geraldine auch gesagt haben, Karl, offensichtlich hat es ihre Bedenken nicht ausgeräumt«, sagte Naomi. »Ist es nicht so, Geraldine?«
    Geraldine nickte.
    »Lass doch Geraldine antworten, Naomi«, sagte Karl unverhohlen gereizt. »Geraldine?«
    Geraldine schluckte.
    »Die … die haben gesagt, dass sie nicht zum ersten Mal weggelaufen ist und sie keine Zeit haben, sich um Ausreißerinnen zu kümmern. Sie sagten, dass sie wahrscheinlich unten in Dublin ist.«
    »Stimmt das? Dass sie nicht zum ersten Mal weggelaufen ist?«, fragte Karl.
    »Ja«, sagte Geraldine und warf Naomi einen Hilfe suchenden Blick zu. »Aber in Dublin ist niemand mehr, zu dem sie gehen könnte, außer mir.«
    »Du weißt doch, wie Polizisten sind, Karl«, unterbrach Naomi sie. »Die haben keine Zeit für Teenager und deren Probleme. Die wollen Fälle, die Schlagzeilen machen.«
    »Danke für den Hinweis, Oprah. Das war sehr erhellend«, sagte Karl und wandte sich wieder Geraldine zu. »Wenn du die Frage gestattest, Geraldine, warum suchen nicht deine Eltern nach deiner Schwester, sondern du? Du bist doch kaum älter als … vierzehn? Fünfzehn?«
    »Ich werde nächsten Monat siebzehn – ein Jahr älter als meine Schwester, wenn Sie es unbedingt genau wissen wollen«, antwortete Geraldine erbost. »Mein Vater sitzt im Gefängnis Mountjoy. Er hat zwanzig Jahre bekommen.«
    »Zwanzig Jahre?«, sagte Karl und spürte ein ungutes Jucken. Seine Hämorrhoiden meldeten sich wieder. »Und deine Mutter?«
    »Meine Mama ist tot, Mister Kane. Sie war auf Heroin – genau wie ich.«
    »Das tut mir leid …«
    »Meine erste Erinnerung an eine Nadel ist, dass sich meine Mutter vor meinen Augen eine Spritze setzte. Die Nadel ist ihr oft abgebrochen, und ich hab mit der Spritze gespielt, wenn sie fertig war. Ich weiß, alle haben ihr gesagt, dass das Heroin ihr Tod sein würde. Die haben sich geirrt. Am Ende hat sie ein Mann getötet. Mein Vater.«
    Naomi trat dicht zu Geraldine und berührte sie sanft am Ellbogen.
    »Du bist bei uns genau an der richtigen Adresse, Geraldine. Wenn jemand deine Schwester finden kann, dann Karl. Er ist der beste Privatdetektiv in ganz Belfast. Ist es nicht so, Karl?«
    Karl entgleisten um ein Haar die Gesichtszüge. »Wir wollen doch nichts überstürzen, Naomi – oder übertreiben.« Er warf ihr einen Blick zu, in dem »Was zum Teufel soll das werden?« zu lesen stand.
    »Setz dich da drüben hin, Geraldine«, sagte Naomi und zeigte auf einen Sessel. »Karl wollte uns gerade etwas zu essen bestellen. Stimmt doch, Karl?«
    »Was? Oh … na klar«, antwortete Karl, zog das Jackett aus und streifte die Samuel-Windsor-Schuhe ab.
    »Wie kommst du ausgerechnet auf Karl, Geraldine?«, fragte Naomi.
    »Deswegen«, antwortete Geraldine und gab Naomi eine von Karls Visitenkarten. »Die liegen haufenweise in den Telefonzellen in der Royal Avenue herum. Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, es wären andere Karten. Sie wissen schon, mit Telefonnummern von nackten Frauen.«
    Naomi warf Karl einen Blick zu. »Sag mir nicht, dass du deine Visitenkarten einfach so überall rumliegen lässt.«
    »Manchmal landet man einen Glückstreffer«, antwortete Karl, der aussah, als wäre ihm etwas mulmig zumute. »Außerdem, hätte ich sie dort nicht ausgelegt, wäre Geraldine jetzt nicht hier und würde mich um Hilfe bitten. Oder? Etwa nicht?«
    »Du hast auf alles eine Antwort.«
    »Hast du aktuelle Fotos von deiner Schwester, Geraldine?«, fragte Karl, der Naomis Sarkasmus überhörte.
    »Eines«, entgegnete Geraldine und kramte ein Foto aus ihrer winzigen Handtasche. »Das wurde letztes Jahr aufgenommen. Es ist ein wenig zerknittert, aber ein besseres habe ich nicht.«
    Karl sah ein zum Skelett abgemagertes Mädchen in einer zu großen Jeansjacke. Spitze Hüftknochen ragten über
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