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Die Sache mit dem Ich

Die Sache mit dem Ich

Titel: Die Sache mit dem Ich
Autoren: Marc Fischer
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mit großen Hunden.
    8. Je größer der Hund, umso größer die Zufriedenheit, nichts zu sein außer Hundehalter. Zitat von Robert M. aus München, 37, Dobermann-Besitzer: »Es ist ein Dayjob, und er füllt mich aus.«
    9. Früher bekamen Hunde Hundenamen wie Bello, Hasso, Rex, Strolch, Schlappi, Schluffer, Schlemihl. Heute bekommen Hunde Menschennamen wie Paul, Johnny, Elvis, Rocco, Max. Ja, auch Max.
    10. Hunde sind beliebter als Hündinnen. Hundertmal beliebter.
    11. Die Deutschen sterben aus, weil kaum noch Ehen geschlossen und Kinder gezeugt werden.
    Ich wollte mich gerade dranmachen, meine Studien zu einem Buch zusammenzufassen, da lief mir aus Gründen, die ich hier nicht erklären kann, meine Frau weg.
    Was soll ich sagen? Er wird Eduardo heißen, eher groß sein als klein, mit eher viel Fell als wenig.
    Nur die Rasse weiß ich noch nicht.

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Die Reste der Liebe
    Es stimmt nicht, dass nichts übrig bleibt, wenn sie gehen. Es bleibt eine Menge: von Marie das rote Tön-Shampoo und die einzige Creme, gegen die sie nicht allergisch war (Nivea, trotz all der Chemie); von Eva eine kaputte 90-Minuten-Kassette mit Liedern von Elvis Costello, ein Rest Wunderkerze, eine vielleicht etwas zu romantisch geteilte Dollarnote (für New York); von Jessica ein halber Joint, etwas Speed (Entschuldigung) und ein Foto im Glück; von Carolina ein Büschel Haare (sie hatte so viel davon); von Lena Augentropfen, Lippenstift, ein Tampon, ja nun, manchmal ist das alles.
    Fast jeder Dieb, Räuber, Mörder hinterlässt Spuren am Ort seiner Tat – aber kaum jemand lässt mehr zurück als Liebende, die auf einmal keine Liebenden mehr sind. Der Dieb nimmt weg, wenn er kommt; die Ex-Liebe fügt hinzu, wenn sie geht: Gefühle, Schmerzen, Erinnerungen in Form von alten T-Shirts, Notizbüchern, Lippenstiften, Ausweisen, Zahnbürsten, Taschenbüchern, CD s, Flugtickets, Kinokarten, Cocktailkleidern, Weinflaschen, Kaugummis, Fremdwährungen. Seltsame Totems vergangener Existenzen sind das, die Geschichten erzählen, und meist sind sie traurig. »Got a picture of you beside me, got your lipstick mark still on your coffee cup« heißt es in dem Trennungsklassiker »Back for Good« von Take That. Was tun mit diesen Dingen der Vergangenheit, ihren stillen Schreien, ihrem schrillen Schweigen?
    Ich wusste es lange nicht, bis mein Freund, der Signore (kein Italiener, tut aber immer so), mir sein Prinzip erklärte. Ihm nach gibt es zwei Methoden. Methode Nr. 1 nennt er den »Alexander-Weg«, nach Alexander dem Großen. Sie geht so: Wie der Feldherr Persepolis zerstörte, brennt man nach der Trennung alles nieder, was einen an sie/ihn erinnert – jeden Schnipsel, jedes Haar, jeden Zettel. Du löschst die Festplatte, fängst von vorn an, sagst dir: neue Liebe, neues Ich. »Die meisten Menschen versuchen es so. Manchmal klappt es sogar«, sagt der Signore. Er persönlich bevorzugt eine andere Methode. Er nennt sie »Das Prinzip Shinto«, denn es war sein japanischer Freund Daisuke, der sie ihm beibrachte, vor vielen Jahren.
    Der Signore war damals gerade von seiner ersten Frau verlassen worden. Mit drei leeren Weinflaschen und etwa 36484 zerstörten Fotos, Briefen und Damenkleidern saß er heulend auf dem Fußboden und versuchte, mit dem Hammer seinen Ehering ins Parkett zu klopfen, als Daisuke ihn fand. »Mag sein, dass die Dinge tot auf die Welt kommen«, sagte Daisuke, nachdem er dem Signore etwas warmen Sake gebracht hatte, »aber sie werden lebendig, nachdem Menschen sie berührt haben. Darum bringt es nichts, sie wegzuwerfen oder zu vernichten. Sie bleiben eh an und in uns.« Was er damit sagen wollte, war: Wir können unsere Seele nicht verarschen und all diese Dinge darum genauso gut behalten – und so verehren, wie im japanischen Denken auch Steine, Fernseher oder Lampenständer verehrt werden können.
    Daisuke erzählte dem Signore von seinem Onkel, der aus dieser Haltung fast eine eigene Kunstform entwickelt hat: Er, der sich oft im Leben ver- und entliebte, hat aus den Fundstücken seiner Verflossenen eine Art Altar errichtet, einen Holzschrein mit vielen Schubladen, und in jeder steckt was Kleines von Mayumi, Naoko, Yasuko, Erin, Yoko, Hiroko. Das »Museum der vergangenen Lieben« nennt Daisukes Onkel diesen Schrein, und wie kostbare Relikte behandelt und pflegt er all die hinterlassenen Taschentücher und Plastikblumen und Haarspangen und Cocktail-Schirme. Undkostbar waren uns die Menschen ja, die diese Gegenstände hinterlassen
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