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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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schon. Du weißt doch, besser, sich gar nicht erst an sie zu gewöhnen. Sollte er die Nacht überleben, kann er mir beim Frühstück immer noch sagen, wie er heißt.“

*
     
    Lys fuhr hoch, als er geschäftigen Lärm um sich hörte. Die Hütte füllte sich mit Männern, die anscheinend von der Minenarbeit zurückkehrten. Viele lachten und sprachen unbekümmert miteinander, ließen sich von den Frauen Essen anreichen, begrüßten die Kinder, machten es sich bequem. Sie schauten zu ihm herüber, wie er dort in der Ecke hockte, den Kopf auf den angezogenen Beinen gelegt. Er spürte ihre Blicke, es war ihm gleichgültig. Er gehörte nicht zu ihnen und wollte auch nicht Teil ihrer Gemeinschaft werden.
    Ein junger Mann, fast noch ein Kind, setzte sich ihm gegenüber und starrte ihn offen an. Lys duckte sich unwillkürlich noch tiefer zusammen, obwohl es keinen Grund gab, sich zu fürchten.
    „Hey“, sagte der Junge laut und stieß Lys an. „Hey, versteck dich nicht vor mir!“
    Lys hob ergeben den Kopf. Besser, er gehorchte, vielleicht bekam er so schneller seine Ruhe.
    „Mutter will, dass du heute Nacht hier bleibst.“ Der Tonfall machte deutlich, dass der Junge nicht viel davon hielt. „Du sollst essen und deine Gelegenheit haben, dich morgen nützlich zu machen.“ Er stellte eine Schale neben Lys ab. „Ich denke, du bist zu schwach, um durchzuhalten, also geh nicht davon aus, dass du morgen Nacht ebenfalls hier sitzen und uns das Essen wegnehmen kannst!“
    „Lass gut sein, Tiko“, sagte eine tiefe Stimme.
    Lys erstarrte.
    Das war ein Irrtum, das konnte nicht sein!
    „Sieh, er ist erschöpft, wahrscheinlich auch ziemlich verstört über all das, was geschehen ist. Irla sagte, er ist erst vor Kurzem versklavt worden. Das heißt aber keineswegs, dass er sich nicht eingewöhnen kann!“
    Langsam wandte Lys den Kopf. Er musste sich vergewissern, es musste sein, er musste wissen, ob er sich irrte! Er sah in das lächelnde Gesicht eines bärtigen Mannes mit langen schwarzen Haaren. Kirians Gesicht. Doch kein Erkennen funkelte in den dunklen Augen, nichts was bewies, dass dies wirklich sein Liebster war. Er stand auf, ließ diesen Fremden mit Kirians Gesicht dabei nicht aus den Augen. Das Lächeln schwand, Kirian wurde bleich. Schmerz verzerrte seine Züge, bevor er torkelnd zurückwich und stöhnend zu Boden sackte.
    „Bleib weg, weg …!“, flüsterte er, und begann am ganzen Leib heftig zu zucken.
    Jemand zog Lys zur Seite, während sich zwei Männer um Kirian bemühten, damit er weder sich noch andere verletzte. Niemand regte sich sonderlich auf, anscheinend waren sie an diese Anfälle gewöhnt.
    „Halt dich von ihm fern“, herrschte ein dunkelhaariger Mann ihn an. Es klang feindselig. „Lamár hat sein Gedächtnis verloren, also, er erinnert sich an nichts aus seiner Vergangenheit, verstehst du? Manchmal sieht oder hört er aber etwas, das er wohl kennt, und bekommt davon schlimme Schmerzen. Dich hat er womöglich schon mal gesehen, oder du siehst jemanden aus seiner alten Zeit ähnlich. Also, bleib fern von ihm, du Lustknabe !“
    Lys fühlte sich, als hätte er einen Schritt ins Bodenlose getan, unter sich ein tiefer Abgrund, hinter sich Feinde, die er nicht einmal kannte. Er hatte Kirian gefunden, und doch war der lange Weg umsonst gewesen. Hilflos starrte er auf den Mann, den er so sehr liebte, der sich seinetwegen gequält am Boden wand, und presste die Faust gegen die Lippen, um nicht zu schreien. Das konnte nicht sein, das durfte nicht wahr sein! Er krümmte sich zusammen, wollte nichts mehr sehen, nichts hören. Einfach nur vergessen und hoffen, dass dies ein Albtraum war.
    Ihr Götter, wie könnt ihr bloß so grausam sein …

2.
     
    Lamár wachte früh auf, alle anderen schliefen noch. Er hatte sowieso die halbe Nacht wach gelegen, und daran war der Fremde schuld. Leise setzte er sich hin, um Tiko nicht zu wecken, der direkt neben ihm lag, und versuchte, im matten Licht der Glut des Herdfeuers zu erkennen, wohin der Fremde sich verkrochen hatte. Schon der Gedanke an ihn verstärkte die Schmerzen, die ihn seit gestern Abend nicht mehr losgelassen hatten. Als er ihn entdeckte, brachte das nur noch schlimmere Qualen. Lamár musste hastig wegblicken.
    „Soll ich ihn nächste Nacht den Wächtern überlassen?“, wisperte Tiko neben ihm. Lamár zuckte zusammen, er hatte nicht bemerkt, dass der Junge aufgewacht war. Mit zusammengebissenen Zähnen brummte er etwas, das als Verneinung gemeint
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