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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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Emin, der immer schweigsam und ruhig im Hintergrund blieb, so viel Mut besitzen könnte.
    Erek hatte mit seiner Lüge verhindert, dass seine Angreifer bestraft wurden und sich dadurch in den letzten Tagen Frieden gesichert. Niemand sprach mit ihm, wenn es sich vermeiden ließ, aber sie wechselten sich zumindest mit ihm bei den Arbeiten ab und gaben ihm seinen Anteil an Essen und Wasser. Lamár wünschte so sehr, er könnte mit ihm reden, er war sich so sicher, dass er Erek schon einmal gesehen hatte! Mittlerweile konnte er es zumindest ertragen, den jungen Mann von hinten oder von der Seite zu erblicken, ohne sofort vor Schmerz zusammenzubrechen. Ein kleiner Fortschritt … für den er sich stundenlang hatte quälen müssen.
    Schön geduldig bleiben. Langsam daran gewöhnen. Vielleicht kann ich ihm in diesem Tempo erst in einem Monat offen ins Gesicht schauen und erst in einem Jahr mit ihm sprechen. Fein! Dann muss ich eben dafür sorgen, dass er so lange überlebt!
    Arkin hatte von sich aus mehrmals versucht, Erek auszufragen, was er über Lamárs Vergangenheit wusste, woher er kam, welche Geschichte zu ihm gehörte; doch Erek hatte abgewunken und kein Wort verraten. Lamár würde sich nicht so leicht abwimmeln lassen, wenn er erst einmal soweit war. Es tat ihm leid, wie die anderen Erek behandelten, schließlich war es nicht seine Schuld, dass Lamár durch ihn Schmerzen litt. Außerdem konnte er gut und ausdauernd arbeiten, war also keine Last.
    Wie er da sitzt … keiner soll ihn sehen, er sieht keinen von uns. Fern von der Welt und für alle verloren …
    „Er schafft es nicht.“ Lamár fuhr zusammen, als Irla sich plötzlich zu ihm herüberbeugte und ihn leise ansprach. „Anfangs dachte ich noch, er hätte die Kraft zu überleben, er wirkte zwar verstört und innerlich verletzt, aber er war hier, in dieser Welt. Seit dem Angriff scheint er dieses letzte bisschen Kraft verloren zu haben. Er starrt jetzt schon seit Stunden ins Nichts, und als ich ihm sein Essen gegeben habe, war seine Augen so tot und leer wie bei einer Leiche. Er hat nichts gegessen, schau, seine Schale ist unberührt. Gestern war es genauso.“
    „Vielleicht fängt er sich wieder“, murmelte Lamár.
    „Vielleicht, ich kenne ihn nicht, ich weiß nicht, was er durchgemacht hat. Aber ich glaube es nicht, Lamár. Ich habe viele Menschen gesehen, die diesen Blick trugen, und keiner von ihnen hat danach noch lange gelebt.“
    „Dann müssen wir ihn zwingen! Zur Not stopfen wir ihm mit Gewalt das Essen in den Rachen!“, grollte Lamár zwischen Wut und Verzweiflung. „Er darf nicht einfach sterben, ohne mir zu sagen, was er weiß!“
    Irla lachte freudlos. „Du kannst ihn zwingen zu essen, zu schlafen, zu arbeiten … Doch du kannst ihn nicht zwingen zu leben. Er muss sich nicht mal selbst etwas antun. Wer so ist wie er wird ganz schnell krank. Entweder erleidet er vor Schwäche einen Unfall, die Wächter schlagen ihn tot, weil er nutzlos ist oder er stirbt ganz einfach an einem Fieber.“
    Lamár wollte hitzig etwas erwidern, wurde allerdings von einer Bewegung abgelenkt, die er nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Marjis war aufgestanden, das kleine Mädchen, das seine Mutter verloren hatte und seitdem mit jedem neuen Tag weiter zu schwinden schien. Normalerweise hörte und sah man nichts von ihr, sie war selbst für eine Vierjährige viel zu klein und zart. Niemand wusste, warum sie überhaupt noch lebte. Sie mitten im Raum stehen zu sehen, war ungewohnt, und viele Sklaven blickten neugierig zu ihr auf. Marjis schien sie alle nicht wahrzunehmen. Ihre hellen blauen Augen waren allein auf Erek gerichtet, sie näherte sich ihm zögernd. Als sie noch etwa einen halben Schritt hinter ihm war, kauerte sie am Boden nieder und kroch auf allen vieren auf ihn zu. Fasziniert beobachteten nun alle, was dort geschah, niemand sprach ein Wort oder regte sich, um die Spannung nicht zu brechen, die sie alle erfasst hatte.
     
    Lys spürte die federleichte Berührung am Knie, sah aber keinen Grund, deshalb aus der weltentrückten Versunkenheit aufzutauchen. Er fühlte sich nicht wohl in diesem gedankenleeren Trancezustand und ein Teil seines Bewusstseins beschwerte sich über seinen schmerzenden Körper, der diese Zwangshaltung nicht länger beibehalten wollte, über Hunger, Durst und Erschöpfung. Er wusste, er bräuchte nur die Hand auszustrecken und würde Essen finden. Er müsste nur darum bitten und man würde ihm Wasser geben. Seine Decke lag neben ihm,
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