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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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in eine Ecke, wie es ihm befohlen worden war, und wartete dort ab, was man mit ihm anstellen würde. Er wollte schlafen …
    Als sich eine Hand auf seine Schulter legte, zuckte er erschrocken zusammen. Er musste unbemerkt eingenickt sein, verwirrt blickte er in Irlas faltiges Gesicht.
    „Danke“, sagte sie lächelnd. „Von uns Alten hat niemand die Kraft, Gelenke zu richten, und kaum einer der jungen Leute besitzt das Geschick. Emins Arm wäre vielleicht nicht mehr zu retten gewesen, wenn die Männer heute Abend zurückkommen.“
    Lys nickte stumm und schloss für einen Moment die Augen. Wahrscheinlich würde sie ihm gleich eine Arbeit zuweisen, er musste sich zusammennehmen!
    „Bist du schwer verwundet?“
    „Was?“ Ihre Frage traf ihn unvorbereitet. „Nein – nein, ich bin nur …“
    „Alle Sklaven, die neu ankommen, sind verletzt. Dass du Emin helfen konntest, bedeutet wohl, dass du nicht zu heftig gepeitscht wurdest, ich will trotzdem deinen Rücken sehen.“ Er starrte sie entsetzt an und wich zurück, als sie nach ihm griff. Sie seufzte ungeduldig, zog ihn mit sich, ohne seine schwachen Proteste zu beachten, und drückte ihn neben dem Feuer zu Boden. Lys setzte sich, die Beine fest an die Brust gezogen. Er sah, wie einige der Kinder ihn ernst beobachteten. Es war schmerzlich zu sehen, dass selbst die Kleinsten nicht wagten, offen zu lächeln.
    „Runter damit!“, befahl Irla, und zupfte an seinem Hemd. Ihr Ton weckte Ängste, die Lys nicht beherrschen konnte. Er wollte sich wehren, dennoch krallten sich all seine Finger in den Stoff, die Arme hielt er eng an sich gepresst.
    „Muss ich ein Messer holen, um es dir vom Leib zu schneiden?“, fragte sie scharf, riss sich dann sichtlich zusammen und fuhr mit sanfterem Ton fort: „Ich kann dir helfen. Hab keine Angst, dir geschieht nichts.“
    Lys schaute sie misstrauisch an, zwang sich schließlich, das Hemd auszuziehen und ergab sich seiner stumpfen Hoffnungslosigkeit. Nichts fühlen, nichts denken, nichts davon, nicht mehr …
    „Hinlegen, los!“ Sie drückte ihn gewaltsam nieder, wäre dabei fast weggerutscht, weil er gar keinen Widerstand mehr leistete. Ihre kühlen Finger waren angenehm, er spürte kaum, was sie mit seinen Wunden anstellte, nur, wie der Schmerz nachließ. Sie hieß ihn, sich auf die Seite zu drehen, um an seinen Arm heranzukommen, legte einen Verband um das Brandmal und versorgte schließlich noch die von den Eisenfesseln wund geriebene Haut. Die ganze Zeit über hielt er das Gesicht abgewandt, um sie nicht ansehen zu müssen, und kontrollierte seine Angst, indem er sich auf die Atmung konzentrierte.
    „Das war’s.“ Irla riss ihn aus der Trance, automatisch blickte er zu ihr auf.
    „Was warst du vorher?“, fragte sie neugierig, während er sich steif wieder anzog, den Rücken zu ihr gewandt.
    Verwirrt starrte er über die Schulter.
    „Na, als was hast du vorher gedient? Du hast viele Narben, also bist du wohl schon lange ein Sklave? Oder schon von Geburt an?“
    Lys schüttelte den Kopf, zu erschöpft für lange Erklärungen. „Bin erst seit Kurzem, ich meine, seit einigen Wochen …“, stammelte er zusammenhanglos.
    „Geh und schlaf“, unterbrach sie ihn lächelnd. „Ich weiß nicht warum, denn ich wurde hier geboren; aber beinahe jeder neue Sklave bricht erst einmal zusammen, wenn er hier angekommen ist.“
    Er torkelte zurück in die Ecke, die er sich ausgesucht hatte, und rollte sich dort eng zusammen, die Beine fest an den Bauch gezogen. Ausruhen, das war eine gute Idee. Eine Stunde, vielleicht auch zwei …

*
     
    „Was denkst du?“, meinte Nalie sachlich, und wies mit dem Kinn auf den schlafenden jungen Mann. „Der muss was Schlimmes angestellt haben, sonst hätte man so einen hübschen Jungen doch nicht in die Minen geschickt, sondern als Spielzeug dabehalten!“
    Irla zuckte die Schultern.
    „Er ist körperlich deutlich stärker, als er aussieht, aber selten hab ich jemanden gesehen, der so innerlich zerstört ist und trotzdem noch, hm, so anwesend. Nicht so leer, wie man es erwarten könnte. Wer weiß, was man ihm alles angetan hat, um ihn so zu zerbrechen. Er wird nicht lange hier überleben.“ Sie beugte sich tiefer über ihre Arbeit. „Nun gut, es ist nicht schwer zu erraten, was man ihm angetan hat.“
    „Deshalb wolltest du seinen Namen nicht wissen? Obwohl er Emin geholfen hat?“
    Irla schnaubte verächtlich. „Warum soll ich mich damit belasten? Wahrscheinlich bestatten wir ihn morgen früh
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