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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Autoren: Luchterhand
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Die Portugiesen waren nicht nur die letzten Europäer, die sich aus Afrika zurückzogen, sie waren auch die ersten gewesen, die über den gefürchteten Cabo Bojador an der Westküste Afrikas hinausgelangt waren (1434), die südlichste Spitze des Schwarzen Kontinents, das Kap der Guten Hoffnung umschifft und damit den lang gesuchten Seeweg nach Indien gefunden hatten (1499).
    Das Zeitalter der Entdeckungen, fortan als »Goldenes Zeitalter« der portugiesischen Geschichte bezeichnet, hatte im 15. Jahrhundert begonnen und war endgültig erst dann vorbei, als nach dem Verschwinden des jungen Königs Sebastian in der Schlacht von Alcácer Quibir (1578) das Land an Spanien fiel. Der Verlust der nationalen Unabhängigkeit dauerte insgesamt zwar nur 60 Jahre, ist jedoch ein Trauma der portugiesischen Geschichte geblieben, auf das man bis heute empfindlich reagiert. Als anläßlich der Weltausstellung 1998 in Lissabon die Spanier ihren Pavillon dort mit einem Bild zu schmücken gedachten, das die Ankunft des habsburgischen »Fremdherrschers« Philipp III. in Lissabon darstellt, löste dieser »Affront« einen Sturm im Wasserglas aus.
     
    Es war das Goldene Zeitalter der Entdeckungen, welches jahrhundertelang den Mythos von der historischen Legitimität der portugiesischen Präsenz in Afrika genährt hatte und mit dem noch die Generation von Lobo Antunes im zweiten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts aufgewachsen war. Um auch nur eine annähernde Vorstellung von der Gewalt dieses in die Köpfe schon der Kleinsten eingetrichterten Imaginariums zu bekommen, welches sich um die Helden
und deren Taten rankt, genügt ein Blick in die Schulbücher mit all ihren Königen und Infanten, die diese Entdeckungen finanzierten, Seefahrern, die im Auftrag der Krone das wohl gigantischste Abenteuer der damaligen Zeit durchführten, und Missionaren, die überall in den neuentdeckten Gebieten die Heiden mit dem katholischen Glauben zwangsbeglückten.
    Während die Menschheit inzwischen schon auf dem Mond gelandet war, stöberte Portugal noch immer unentwegt in den alten Folianten, in denen peinlich genau all die Kontinente und Landstriche, Archipele, Inseln und Inselchen aufgelistet waren, die Männer mit langen Bärten und in seltsamen Kostümen einst zum Ruhme jenes Landes eingefahren hatten, das der portugiesische Dichter Miguel Torga als »vom großen Atlas nur ein Menschenstrich« bezeichnete.
    Es war der Generation von Lobo Antunes vorbehalten, zum ersten Mal eine radikale Entmystifizierung des portugiesischen Nationalismus vorzunehmen, dessen unzertrennliche Komponente der imperiale Anspruch war. Eine Generation, die wie Lobo Antunes selbst die Fragwürdigkeit der portugiesischen Präsenz in Afrika gerade durch die Teilnahme am Kolonialkrieg erfahren hatte und deswegen ihrer Desillusionierung auch glaubwürdiger Ausdruck verleihen konnte als jene Zeitgenossen, die, wie es in einem frühen Antunes-Roman heißt, die Revolution am Kaffeehaustisch in Paris entwarfen.
    Die schonungslose Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist bis dato ein Thema der Literatur geblieben – während sie in der portugiesischen Gesellschaft noch immer

ein Tabu ist, an das niemand gerne rührt. Wenn jedes Land seine eigene Leiche im Keller hat, so ist diese Leiche in Portugal noch immer das Imperium. Es ist jene Leiche, die in der Rückkehr der Karavellen »der Mann namens Luís«, von dem noch die Rede sein wird, aus Afrika mitbringt und mit der er am Kai in Alcântara landet, an dem einst die Schiffe mit den Soldaten unter Jubel aufgebrochen waren und an den bis 1974 die Särge unter Ausschluß der Öffentlichkeit zurückkehrten.
     
    Die Rückkehr der Karavellen erschien 1988 als siebentes Buch von António Lobo Antunes (der mit seiner Trilogie über den Kolonialkrieg zunächst in den USA Aufsehen erregt hatte) und in einer hohen Auflage in Lissabon. Der Erfolg seiner Bücher gestattete es dem Autor fortan, seinen Beruf als Psychiater niederzulegen und sich nur mehr der Schriftstellerei zu widmen, bis zu achtzehn Stunden am Tag.
    Mehr als ein Jahrzehnt war vergangen, seit unmittelbar vor der bevorstehenden Unabhängigkeit der Kolonien im Jahr 1975 Hunderttausende Afrikarückkehrer in Lissabon gelandet, oder besser gestrandet waren: Per Flugzeug auf ausweglos überfüllten Luftbrücken, per Schiff in stickigen Frachträumen, ja manchmal sogar auf winzigen, selbstgezimmerten Booten, die an die Abenteuer gemahnten, die einst ihre Vorfahren auf unbekannten
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