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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Autoren: Luchterhand
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verhaftet, den
berühmten Theaterautor des 18. Jahrhunderts, dessen kritische Stücke in seinem Marionettentheater im Bairro Alto ein großer Erfolg waren und dem hier, wie tatsächlich geschehen, der Scheiterhaufen hergerichtet wird. Parallel dazu sucht Gil Vicente, Zeitgenosse der Entdeckungen, der angeblich auch Goldschmied war, vor allem jedoch der portugiesische Shakespeare wurde, in der Bar Leonor sich unfehlbar immer die häßlichsten Mulattinnen aus – in einer deutlichen Anspielung auf seinen Pranto da Maria Parda (Klage der Mischlingsfrau Maria), dem hinreißenden Monolog einer alternden Mulattin und Alkoholikerin. Gegen Morgengrauen mischt sich in derselben Bar noch Padre António Vieira, dessen Predigten bis heute als Beispiel einer geschliffenen Sprachkunst geschätzt werden, ins Getümmel.
    Unter weiteren Berühmtheiten der (Literatur-)geschichte, die hier eine illustre Nebenrolle spielen, sei noch jener Nuno Álvares Pereira erwähnt, der 1385 den kastilischen Erzfeind in der berühmten Schlacht von Aljubarrota vernichtend geschlagen und damit dem Haus Avis die portugiesische Krone gesichert hat. Zu sehr damit beschäftigt, den Trompetenstößen aus dem kastilischen Lager zu lauschen, kann er auf das lukrative Geschäft, das ihm Manoel de Sousa de Sepúlveda vorschlägt, nicht eingehen. Die Trümmer einer Vergangenheit, in der die Helden von einst noch immer verstrickt sind, spiegeln sich schließlich in einem gespenstischen Lissabon zerbröckelnder Häuserfassaden und mannigfaltiger Gerüche nach Verkommenheit wider, in dessen eigenwilliger Orthographie »Lixboa« auch das Wort »lixo« (Mist) steckt.

    Und da von der Geschichte, die man uns in den Schulen immer nur von der hohen Ebene aus berichtet, meist tatsächlich nichts anderes übrigzubleiben scheint als jene Vorstellungen, die ein solcher Unterricht dann für ein Lebtag in uns nährt, gerinnt hier die große Initiative der Entdeckungen Heinrich des Seefahrers, eines Internationalisten avant la lettre, der in Sagres die berühmteste Seefahrerschule aller Zeiten unterhielt, zum Abziehbild »eines Prinzen mit dem Schnurrbart eines romantischen Sängers unter breitkrempigem Hut, der auf einem Felsvorsprung sitzt und zu seiner eigenen Unterhaltung Papierschiffchen in den Ozean wirft«.
    In keinem seiner Werke hatte Lobo Antunes bis dato das Bild von Portugal als Land, das nach seinen eigenen Worten stets auf halbem Weg zwischen Wirklichem und Phantastischem liegt, radikaler gezeichnet als in Die Rückkehr der Karavellen. Ein Land, in dem eine allgegenwärtige, allzu monumentale Geschichte die Gegenwart stets zu erdrücken drohte, wird damit auch von der Last seiner Mythen befreit.

E r war vor achtzehn oder zwanzig Jahren auf dem Weg nach Angola durch Lixboa 1 gekommen, und am besten konnte er sich an die Streitereien seiner Eltern in der Pension am Conde Rodondo erinnern, wo sie zwischen dem Geklingel von Eimern und dem entnervten Murren der Frau untergekommen waren. Er erinnerte sich an das Gemeinschaftsbadezimmer mit einem Waschbecken, das barocke Wasserhähne hatte, die Fische imitierten und aus den aufgerissenen Mäulern spasmisch graues Wasser aufstießen, und daran, wie er auf einen alten Herrn gestoßen war, der, die Hose an den Knien, auf der Toilette lächelte. Nachts, wenn er das Fenster öffnete, sah er die erleuchteten chinesischen Restaurants, die mondsüchtigen Ladengletscher für Haushaltsgeräte im Halbdunkel und blonde Köpfe am Bordstein der Bürgersteige. Und aus Angst davor, den Herrn mit dem Lächeln hinter den rostigen Fischen oder die Haarschöpfe anzutreffen, die, den Zimmerschlüssel am kleinen Finger schlenkernd, Notare den Flur entlangschleppten,
urinierte er deshalb in die Bettücher. Und am Ende schlief er, von den endlosen Straßen in Coruche, den Zwillingszitronenbäumen im Garten des Priors und vom blinden Großvater mit seinen glatten Statuenaugen träumend ein, während eine Horde Krankenwagen die Rua Gomes Freire zum Hospital de São José hinaufjaulte.
    Am Tag der Einschiffung hatte sie das Taxi, nachdem es durch eine Gasse mit Villen dementer Gräfinnen, vorbei an Läden mit kleinen wahnsinnig gewordenen Vögeln und Touristenbars gefahren war, in denen die Engländer zur Transfusion des morgendlichen Gins anhuben, am Tejo an einem Sandsaum abgesetzt, der, wie auf einer nahen Bahnstation mit einer Waage am einen und einem Pissoir am anderen Ende zu lesen war, Belém hieß, und er hatte Hunderte von Menschen
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