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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Auf der Fährte
    Nicht viel westwärts von der Gegend, in welcher die Ecken der drei nordamerikanischen Staaten Dakota, Nebraska und Wyoming zusammenstoßen, ritten zwei Männer, deren Erscheinen an einem anderen als diesem westlichen Ort ganz sicher ein sehr berechtigtes Aufsehen erregt hätte.
    Sie waren von sehr verschiedener Körpergestalt. Weit über sechs Fuß hoch, war die Figur des einen fast beängstigend dürr, während der andere bedeutend kleiner, dabei aber so dick war, daß sein Leib beinahe die Gestalt einer Kugel angenommen hatte.
    Dennoch befanden sich die Gesichter der beiden Jäger in gleicher Höhe, denn der Kleine ritt einen sehr hoch gebauten, starkknochigen Klepper, und der andere saß auf einem niedrigen, scheinbar schwachen Maultier. Daher kam es, daß die Lederriemen, welche dem Dicken als Steigbügel dienten, nicht einmal die Bauchlinie des Pferdes erreichten, während der Lange gar keiner Bügel bedurfte, denn seine großen Füße hingen so weit herab, daß es von ihm nur einer kleinen, seitlichen Bewegung bedurfte, um mit dem einen oder dem anderen Fuß den Boden zu erreichen, und zwar ohne dabei aus dem Sattel zu kommen.
    Freilich war von einem wirklichen Sattel bei beiden keine Rede, denn derjenige des Kleinen bestand sehr einfach aus dem Rückenstück eines erlegten Wolfes, an welchem das Fell gelassen worden war, und der Dürre hatte eine alte Santillodecke unterlegt, welche aber so arg zerfetzt und zerrissen war, daß er eigentlich auf dem bloßen Rücken seines Maultieres saß.
    Wenn schon dieser Umstand andeutete, daß die beiden einen langen und beschwerlichen Ritt hinter sich hatten, so wurde diese Vermutung durch das Aussehen ihrer Anzüge auf das unwiderleglichste bestätigt.
    Der Lange trug eine Lederhose, die jedenfalls für einen stärkeren Mann zugeschnitten und gefertigt worden war. Sie war ihm viel, viel zu weit. Unter dem abwechselnden Einfluß von Wärme und Kälte, von Trockenheit und Regen war sie außerordentlich eingegangen und zusammengeschrumpft, leider aber nur in Beziehung auf ihre Länge, und so kam es, daß die unteren Säume der Hosenbeine dem Träger kaum bis über die Knie reichten. Dabei zeigte die Hose einen ungemein fettigen Schimmer, was einfach darin begründet war, daß der Besitzer derselben sie bei jeder Gelegenheit als Handtuch und Serviette benutzte und alles, was er nicht an den Fingern dulden mochte, an dem Beinkleid abzuwischen pflegte.
    Die nackten Füße steckten in ganz unbeschreiblichen Lederschuhen. Sie hatten ganz das Aussehen, als ob sie bereits von Methusalem getragen worden seien und als ob seitdem ein jeder Besitzer einige Lederstücke aufgeflickt habe. Ob sie je einmal Schmiere oder gar Wichse gesehen hatten, das war ganz unmöglich zu bestimmen, ja kaum zu ahnen, da sie in allen sieben Regenbogenfarben schimmerten.
    Der hagere Leib des Reiters steckte in einem ledernen Jagdhemd, welches weder Knopf noch Heftel hatte und also die braune Brust unbedeckt ließ. Die Ärmel reichten nur wenig bis über die Ellbogen vor, von wo aus die sehnigen, fleischlosen Vorderarme zu sehen waren. Um den langen Hals hatte der Mann ein baumwollenes Tuch geschlungen. Ob es früher einmal weiß oder schwarz, grün oder gelb, rot oder blau gewesen war, das wußte der Besitzer selbst nicht mehr.
    Das Kapitalstück des Anzugs war jedenfalls der Hut, der auf dem hohen, spitzen Kopfe saß. Er war früher einmal grau gewesen und hatte diejenige Gestalt gehabt, welche von unehrerbietigen Leuten ‚Façon Angströhre‘ genannt wird. Vielleicht hatte er vor undenkbaren Zeiten den Kopf eines englischen Lords gekrönt; dann aber war er auf der Schicksalsleiter unaufhörlich abwärts gestiegen und endlich in die Hände des Präriejägers gekommen. Dieser besaß nun keineswegs den Geschmack eines Lords von Altengland; er hielt die Krempe für sehr überflüssig und hatte sie daher einfach abgerissen. Nur vorn hatte er ein Stück gelassen, teils zur Beschattung seiner Augen und teils als Handhabe, um die Kopfbedeckung bequem abnehmen zu können. Außerdem hatte er die Meinung, daß der Kopf eines Präriemannes auch der Luft bedürfte, und so hatte er mit seinem Bowiemesser verschiedene Stiche in den Deckel und die Seiten des Hutes gemacht, so daß nun im Innern desselben der West- und Ost-, der Nord- und Südwind einander ‚guten Tag‘ sagen konnten.
    Als Gürtel trug der Lange einen ziemlich dicken Strick, den er einigemal um seine Taille
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