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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Autoren: Luchterhand
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Miniaturschornsteine aus dem Algarb und Spielzeug aus Blech verkauften, anstelle der Tränenhelligkeit der Zwiebeln auf den Holzplatten, anstelle der okkulten Kräfte der Zigeunerinnen, die herbstliche Jungfrauen mit dem Versprechen von Liebschaften mit Vizekönigen in Wallung brachten, anstelle der Touristenkleinbusse mit den blauen Frontscheiben und statt der Karavellen und der türkischen Frachter unter der Bücke war es ein armseliges Gebäude aus Beton, in das sie mich scheuchten, mit Anzeigetafeln für nationale und internationale Flüge, die neben dem Duty-free-Shop farbige Glühbirnen für Whisky pulsieren ließen. Eine Maschine, die Schokolade und Zigaretten verkaufte, stand fieberzitternd in einer Ecke, erbrach nach einem komplizierten Münzenverdauungsvorgang Karamelbonbons, und die Passagiere stellten sich in eine Schlange wie in den geplünderten Lebensmittel-, Bäcker- und Fleischerläden, wo sie für Reis, Brot und Fleisch anstanden, die es nicht mehr gab, nur Staub, Brotkanten und Fett und einen Angestellten am Ladentisch, der mit dem Finger auf die leeren Vitrinen wies. Und er erinnerte sich der entsetzlichen Tagesenden in der letzten Zeit in Angola, an die kleinen Jungen, die die Büros und Wohnungen in der Innenstadt überfielen, an die von Kugeln schrundigen Fassaden und an die wohltätigen Damen des Marçalviertels, die ihre verwaisten Nixenschenkel in Gassen feilboten, in denen
die Scheinwerfer der Jeeps Schlußlichtern von Zügen glichen.
    Die, die mit ihm zurückkamen, Kleriker, Astrologen, Genueser, jüdische Kaufleute, Ammen, Sklavenschmuggler, an Bündel aus Sackleinen, an mit Bindfäden zugeschnürte Koffer, an Weidenkörbe, an zerbrochenes Spielzeug geklammerte arme Weiße aus dem Prenda- und dem Cucaviertel, diese Schlange aus Klagen und Elend zog sich durch den ganzen Flughafen, schob das Gepäck mit den Füßen weiter (durch den Transitpassagieren vorbehaltenen Gang schritten große, wie Flußvögel zerzauste Isländer) bis zu einem Schreibtisch, an dem auf einem Schemel ein Siegelbewahrer ihn nach seinem Namen fragte (Pedro Álvares, und weiter?), auf einer getippten Liste voller Verbesserungen und Bleistiftkreuzchen nachsah, die Lesebrille abnahm, um ihn, auf seiner Resopalsitzstange zur Seite geneigt, besser sehen zu können, mit dem Daumen über den Schnurrbart strich und unvermittelt fragte, Habt Ihr Familie in Portugal?, und ich sagte, ganz schnell, ohne nachzudenken, Nein, mein Herr, weil meine alte Mutter vor sechs Jahren an Gelbsucht gestorben war und ich mich an Onkel und Tanten, die es dort noch gab, kaum noch erinnern kann oder nie an sie denke, ich weiß nicht, ob sie in Coruche geblieben sind und wenn sie dort geblieben sind, wo sie wohnen, bei wem sie wohnen, wie viele Kinder sie haben, ob sie überhaupt noch leben. Ich habe noch undeutlich das Profil eines Cousins in Erinnerung, der in Rekrutenuniform auf Urlaub kam und mit grausamen Stiefeln die Salatköpfe im Gemüsegarten zertrat, aber das Haus, zum Beispiel, was wollen Sie, aber sonst ist da einfach nichts mehr, außer dem Spiegel
auf der Diele, der auf dem Markt von Almeirim zwischen dem Gegreine der Spanferkel und den Trommeln der Gaukler gekauft worden war und die Gesichter verformte und die Gesten zu beschlagenem Gewoge verzerrte, jedem sein geheimes, wahres Gesicht wiedergab, jenes, das nur die Einsamkeit des Schlafes oder die Hingabe der Liebe offenbaren. Ich erinnere mich an die Winter mit den auf dem Fußboden ausgesäten Schüsseln und Töpfen, die den Regen auffangen sollten, der durch die Risse in der Decke wie durch eine Sanduhr rieselte, und noch weiter in der Vergangenheit an die Patentante meines Vaters, wie sie unter dem Kirschbaum, der keine Früchte mehr trug und einen der Füße des Betontrogs zum Wäschewaschen mit der Bizepskraft seiner Wurzeln anhob, Socken und lange Unterhosen stopfte. Und diese ferne Erinnerung brachte ihm unvermittelt den Kuhfladengeruch der letzten Monate in seine Nase, seit das Radio die von Seiner Majestät als Nachwehen einer Erhebung während einer Versammlung der Cortes in Lixboa verordnete Unabhängigkeit Angolas verkündet hatte, den Geruch nach Schweiß, nach Durchfall, nach Angst, als wir in Panik die Schränke vor die Fenster stellten, denn gleich schlitzt ein Gewehrkolbenhieb den Bauch der Anrichte auf, bald zertrampelt ein Turnschuh lachend den Teppich, bald fängt die MPLA an, wild herumzuschießen, und Nacken zerplatzen wie Feigen zu einer weißen Fleischpaste
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