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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Autoren: Luchterhand
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erinnert, durch Zufall aufstöbert. Es ist dem einstigen Initiator der frühesten euro-afrikanischen Verbindungen vorbehalten, das Kolonialreich endgültig in den Mistkübeln der Hauptstadt zu versenken, bevor er als einfacher, pensionierter Angestellter der städtischen Wassergesellschaft von Luanda sein Leben (wahrscheinlich bald) beenden wird.
    Wenn auch – durchaus der Wirklichkeit entsprechend – die retornados aus Angola hier in der Mehrzahl sind, so hat Lobo Antunes mit der Gestalt des Francisco Xavier, Inder aus Moçambique, einen anderen, nicht unwesentlichen Aspekt der Heimkehrerschicksale eingebracht. Xavier, dessen Name auf den wohl berühmtesten jesuitischen Missionar des 16. Jahrhunderts verweist, der sogar die Japaner
zum Christentum bekehren wollte und dessen Wirken in mehreren asiatischen Ländern meteorartige Spuren hinterließ, ist hier Herr über die Herberge Zum Indischen Apostel, eine Mischung aus verkommener Pension für retornados und unerschöpflichem Reservoir von farbigen Prostituierten, die er an das Netzwerk zweifelhafter Diskotheken, welches er mit anderen pseudoillustren Heimkehrern geknüpft hat, gewinnträchtig verleiht. Der geschäftstüchtige Inder aus Moçambique und rührige Schutzheilige der Stadt Setubal spiegelt, grotesk verzerrt, einen nicht unwesentlichen Teil jener retornados wider, welchen es gelang, durch zähen Fleiß in einer völlig neuen Umgebung wirtschaftlich zu reüssieren.
    Sein Partner bei diesem einträglichen Geschäft ist Manoel de Sousa de Sepúlveda, der noch im Angola der Kolonialzeit mit Hilfe eines befreundeten PIDE (wie nicht nur die ehemalige portugiesische Geheimpolizei, sondern vereinfacht auch gleich deren Mitglieder genannt wurden) Diamanten nach Holland schmuggelt. Vorsorglich hat Sepúlveda  – wie so manches seiner realen Vorbilder – schon damals einen Teil seines Vermögens in Immobilien in Portugal investiert – doch als er nach der Nelkenrevolution via Südafrika nach Lissabon zurückkehrt, findet er sein Appartement an der Costa da Caparica von Lumpenproletariern des nahe gelegenen Küstenstreifens Fonte da Telha besetzt. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß es ausgerechnet jene sind, die dem »Afrikaner« unter Einbeziehung revolutionärer Slogans eine Moralpredigt halten: »Sieh mal an, einer, der nicht weiß, was Sozialismus ist, dieser Analphabet ... Er ist gerade aus Afrika gekommen,
der Arme, ... hat unsere schwarzen Kameraden ausgebeutet, glaubt, das hier ist seine Wohnung. Das hier gehört dem Volk, mein Freund, das gehört der ruhmreichen Avantgarde des Proletariats, das hier wurde revolutionär besetzt, verstanden?«
    Doch selbst wenn diese »Deserteure ohne Ziel« Sepúlveda im Anschluß daran ebenso nackt ausziehen wie einst die »Wilden« an der Küste von Moçambique seinen Namensvetter in der von Bernardo Gomes de Brito herausgegebenen Kompilation História Tragico-Maritima, so ist er keinesfalls ein Schiffbrüchiger wie jener. Während Manoel de Sousa de Sepúlveda in der berühmten Chronik über die Unglücksfälle der frühen Seefahrer vor Schmerz über den Tod seiner Gattin Leonor, die der Schande der Nacktheit ein rasches Verscheiden vorgezogen hatte, wahnsinnig wird und in den Urwald flüchtet, eröffnet der aus Malanje heimgekehrte Manoel die Bar Leonor in Lissabon. Seine Gattin ruht zu diesem Zeitpunkt schon lange auf einem Friedhof in Lobito, Angola, »unter einem Engel aus Grabmarmor ... mit ausgebreiteten Flügeln, der auf ihrer Brust saß, um so unzeitigen Wiederauferstehungen zuvorzukommen«.
    Nach den Seefahrern, Missionaren und Adeligen (wie Sepúlveda, der in Indien Reichtum suchte) sind die Wissenschaftler an der Reihe. Doch welch ein Abgrund tut sich auf zwischen dem zeitgenössischen »Radioamateur und Züchter medizinischer Pflanzen auf dem Balkon« Garcia da Orta und seinem historischen Namensvetter, dessen Colóquios dos Simples e Drogas e Cousas Medicinais da India (Goa, 1563) als ein Meilenstein in der Weltgeschichte der Medizin gilt und noch heute verschiedentlich zitiert wird, vor allem
wegen der Cholera, die dort zum ersten Mal überhaupt beschrieben ist.
    Garcia da Orta, ein Freund des Nationaldichters Luís de Camões, der ihm eine Ode widmete, war als cristão novo (zwangsgetaufter Jude) vor der Inquisition nach Goa geflüchtet, wo er eingehend sämtliche medizinischen Pflanzen des Orients studierte und in dem oben zitierten Werk in Dialogform beschrieb, mit dem noblen Ziel
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