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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands
Autoren: Karen Ranney
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führte sie ihr Weg, denn sie wusste, dass er ein bevorzugter Platz ihres Onkels war. Sie folgte dem Pfad aufwärts, duckte sich unter tief hängenden Ästen und kämpfte sich durchs Unterholz.
    Die Kuppe des Hügels war kahl wie der haarlose Schädel eines Mannes. Früher hatte eine einzelne Kiefer in der Mitte gestanden, ein Posten, der über den Wald wachte – doch sie war vor Jahren vom Blitz getroffen worden und mit solcher Wucht zu Boden gestürzt, dass die Erde bebte.
    Zu ihrer Rechten stand Gilmuir Castle. Von Dunst verschleiert, sah es wieder aus wie früher, und als Leitis die Augen zusammenkniff, glaubte sie Rauch aus den vier Schornsteinen aufsteigen zu sehen und den Hof voller Leute, die ihrer Arbeit nachgingen. Geister, durch die Kraft ihrer Gedanken und ihres Wunsches zu lebendigen Wesen geworden.
    Das niedrige Fort daneben war eine Realität, die wegzudenken nicht möglich war, sosehr sie es sich auch wünschte.
    Zu ihrer Linken erstreckte sich der Wald vom Talboden bis zum Talrand und die Flanke des Nachbartals hinunter wieder bis zum Grund. Vor ihr lag der Loch Euliss und in der Ferne der Firth, der Meeresarm, der den See mit einem riesigen Wasser verband, einer Fläche, hatte sie gehört, auf der ein Schiff wochenlang segeln konnte, ohne eine Küste zu sehen. Die Belohnung war der Anblick von Orten und Ländern, deren Namen mystisch und fast angsteinflößend klangen – Venedig, China, Marseille.
    Sie schob ein paar Äste aus dem Weg – und da war Hamish in seinem Kilt, unter dem Arm den luftleeren Sack seines Instruments. Er stand mit dem Rücken zu dem neu erbauten Fort William. Ein dreister Windstoß fuhr ihm unter seinen Kilt, doch es schien ihm nichts auszumachen, den Engländern seinen blanken Hintern zu zeigen.
    »Was du tust, ist töricht, Onkel«, sagte Leitis in strengem Ton.
    Er runzelte die Stirn, wodurch seine weißen, buschigen Brauen, die an dicke, pelzige Raupen erinnerten, über der Nase zusammenstießen, was seinen kriegerischen Ausdruck noch verstärkte.
    »Ich lasse mich von keinem kleinen Mädchen tadeln«, sagte er empört. »Besonders nicht für mein Dudelsackspiel.«
    »Ich bin schon seit vielen Jahren kein kleines Mädchen mehr, Onkel, und das weißt du.« Sie stemmte die Fäuste in die Seiten und fixierte ihn strafend. »Und Dudelsackspielen ist jetzt gegen das Gesetz. Hast du das vergessen?«
    »Es ist ein englisches Gesetz – nicht meines.« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und begegnete ihrem Blick.
    Es tat ihr weh, ihn so zu sehen. Ehemals ein Baum von einem Mann, war er in den letzten zwei Jahren dramatisch geschrumpft, und sein Bart war ebenso weiß geworden wie sein Haar. Doch seine Halsstarrigkeit war gleich geblieben.
    »Es gibt Kinder im Clachan, Onkel, die es nicht verdienen, deinetwegen zu leiden.« Die Engländer würden die Einhaltung ihrer Gesetze erzwingen, wenn Hamish auch noch so dagegen aufbegehrte. Die Soldaten im Fort würden nicht abziehen, eine Tatsache, die sie, wenn auch widerstrebend, begriffen hatte, Hamish jedoch noch nicht.
    »Komm mit«, sagte sie freundlich und wollte nach seinem Arm greifen. Doch er drehte sich um und begann wieder, seinen Dudelsack zu spielen. Sie schaute an ihm vorbei zum Fort. Soldaten kamen im Gänsemarsch aus der Festung. Es war wirklich dumm von ihr gewesen zu hoffen, dass sie nichts gehört hatten.
    »Die Engländer kommen«, sagte sie und stellte sich innerlich gottergeben auf einen neuerlichen Besuch von Major Sedgewick ein. Auf eine neuerliche Drohung, eine neuerliche Grausamkeit. Was würde er heute tun? Ihnen ihr Vieh stehlen? Bereits getan. Ihre Felder zertrampeln? Bereits getan. Ihnen ihr Hab und Gut rauben? Er
hatte
bereits alles von Wert aus dem Dorf, was nicht in den benachbarten Höhlen versteckt war, abgeschleppt.
    »Du solltest deinen Dudelsack verstecken«, riet sie ihrem Onkel, obwohl ihr eine scharfe Bemerkung auf der Zunge lag. Es war sinnlos, ihm zu zürnen. Irgendwie lebte er noch in der Vergangenheit, als die MacRaes die Herrscher über diesen Landstrich gewesen waren. »Und dich selbst ebenfalls«, setzte sie hinzu.
    Sie verließ ihn, ohne sich zu vergewissern, ob er ihren Rat befolgte. Hamish würde tun, was er wollte, gleichgültig, was sie sagte.
    Als sie am Fuß des Hügels ankam, hatten die englischen Soldaten das Dorf erreicht. Wer sich nicht schnell genug auf dem Versammlungsplatz einfand, wurde brutal aus seinem Cottage gezerrt. Siebenundzwanzig Leute zählte die
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