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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands
Autoren: Karen Ranney
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Ortschaft noch. Einst waren es dreihundert, doch damals war sie noch ein Kind gewesen und General Wade mit seinem ewigen Straßenbau die einzige englische Heimsuchung.
    Schnellen Schrittes steuerte sie auf den Versammlungsplatz in der Dorfmitte zu. Major Sedgewick saß im Kreis seiner ebenfalls berittenen Offiziere auf seinem Pferd. Er trug wie üblich einen kastig geschnittenen scharlachroten Rock mit Aufschlägen und blaue Kniebundhosen. Gürtel und Stiefel waren aus naturfarbenem Leder. Ein letzter Sonnenstrahl, der sich durch die schwarzen Gewitterwolken bohrte, verlieh seinem im Nacken zusammengebundenen blonden Haar einen goldenen Schimmer.
    Leitis musste ihr Umhangtuch festhalten, damit es der Wind nicht mit sich fortriss. Er war kalt, aber dass sie fröstelte, lag nicht an ihm, es lag an dem Ausdruck in Sedgewicks Augen, die sie musterten.
    »Was werden sie tun?«, fragte Dora neben ihr. Das Gesicht der Älteren war sorgenvoll. Leitis schüttelte nur schweigend den Kopf, sie wusste keine Antwort darauf.
    »Was
können
sie denn noch tun?« Angus stützte sich schwer auf seinen Stock und musterte die englischen Soldaten mit gerunzelter Stirn.
    Der Major erinnerte sie mit seinem spitzen Gesicht und den langen Schneidezähnen an eine Ratte. Er hatte seine Befehle mit großer Begeisterung ausgeführt, ihnen eine Lektion über die englische Vorstellung von Frieden erteilt: Lasst die Menschen hungern, und sie werden keine Kraft haben, sich aufzulehnen. Lasst sie zuerst ihre Alten begraben und dann die Kinder, und sie werden fraglos gehorchen.
    Leitis schlug den Blick nieder und wünschte, Sedgewick würde woanders hinschauen. Sie achtete darauf, nichts zu tun, womit sie die Aufmerksamkeit der Engländer erregte. Jede Frau im Clan wusste um die Gefahr, die die hundert Soldaten in Fort William für sie bedeuteten.
    »Einer von euch hat sich wieder des Verstoßes gegen das Entwaffnungsgesetz schuldig gemacht«, verkündete der Major. Als niemand antwortete, lächelte er schmallippig. »Wo ist euer Dudelsackpfeifer?«, verlangte er zu wissen.
    Es war nicht das erste Mal, dass Hamish die Engländer erzürnt hatte, und Leitis vermutete, dass er es heute auch nicht zum
letzten
Mal getan hätte. Doch keiner verriet ihn. Obwohl alle wussten, dass sie es würden büßen müssen, blieben sie stumm.
    Der Major saß ab und baute sich mit wutverzerrtem Gesicht vor ihnen auf. »Habt ihr mir nichts zu sagen?« Er trat auf Angus zu. »Würdet Ihr reden, wenn ich Euch eine Mahlzeit und einen Krug Ale verspräche?«
    »Ich bin ein alter Mann, Major.« Angus’ Atem ging pfeifend. »Meine Ohren sind nicht so gut wie Eure. Ich habe nichts gehört.«
    Sedgewick studierte das Gesicht seines Gegenübers eine ganze Weile. Dann ging er weiter und blieb vor Mary stehen. Sie hatte ihr Kind auf dem Arm, das nach dem Tod ihres Mannes zur Welt gekommen war. »Und Ihr, Madam?«
    Mary schüttelte den Kopf und drückte Robbies seidiges Köpfchen an ihre Wange. »Ich habe mein Kind versorgt«, sagte sie leise. »Ich habe auch nichts gehört.«
    Sedgewick setzte seinen Weg fort, studierte jedes Gesicht und wurde zusehends wütender, als sich nach wie vor niemand bereitfand, den Dudelsackpfeifer zu verraten.
    Leitis sah seine Stiefel näher kommen und vor ihr stehen bleiben. »Was ist mit Euch?«, fragte er leise. »Wart Ihr ebenfalls zu beschäftigt, um etwas zu hören?«
    Sie schüttelte schweigend den Kopf und wünschte inständig, er würde weitergehen.
    Sedgewick wandte sich dem Clan zu. »Wo ist der Dudelsackpfeifer?«, verlangte er zu wissen.
    Schweigen.
    »Bringt mir eine Fackel«, befahl er einem seiner Offiziere. Der Mann eilte davon und kehrte gleich darauf mit einer Handvoll Stroh zurück, das er von einem der Dächer gerupft und zu einer Garbe zusammengedreht hatte. Sedgewick ließ sie anzünden, packte sie und hielt sie hoch.
    »Was ist eure Loyalität euch wert?«, fragte er. »Eure Häuser? Euer Leben? Wir werden sehen.«
    Er ging zu dem ihm am nächsten stehenden Cottage und hielt die Fackel an das tief hängende Dach. Es fing augenblicklich Feuer, und der Wind, Vorbote des Unwetters, fachte es an.
    Gottlob stand das Haus leer – die Bewohner waren im Sommer gestorben.
    Sedgewick nahm das nächste Cottage aufs Korn. Leitis schaute schweigend zu, wie ihr Haus angezündet wurde.
    Ihre Gedanken gehörten ihr allein, und solange sie sie für sich behielt, konnte sie nicht dafür bestraft werden. Sie senkte den Blick wieder, denn sie
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