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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens
Autoren: James Aitcheson
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wusste ich sehr gut, wie es war, wenn man viele Kameraden und Freunde verloren hatte. Wir blickten auf die Ruinen der Stadt Eoferwic: die Häuser und Kirchen, die verbrannte Erde der Befestigungsanlagen, die zwei Erdhügel beiderseits der Use, die das Einzige waren, was von den Burgen noch übrig war.
    »Wie geht es eigentlich Eurem Vater?«, fragte ich, um das Schweigen zu brechen.
    »Nicht gut«, erwiderte Robert. »Seine Krankheit wird immer schlimmer. Ich fürchte, dass er den Winter nicht übersteht.«
    »Wir können nur beten, dass er sich vielleicht doch noch erholt, Mylord.«
    Der König hatte dem alten Malet die Würde eines Vicomte der Grafschaft Eoferwic entzogen, weil Roberts Vater zweimal zugelassen hatte, dass die Stadt dem Feind in die Hände fiel. Aus meiner Sicht war das eine völlig unnötige Demütigung, da der Mann nicht nur gesundheitlich schon genug zu leiden hatte. Ich kannte Malet als jemanden, dem Ehre und Achtung sehr viel bedeuteten. Die Niederlage lastete daher schwer auf seiner Seele, und deshalb war diese zusätzliche Beleidigung durch den König völlig überflüssig. Doch Robert tat so, als ob ihn das alles nicht interessierte.
    »Man hört, dass König Guillaume eine Abordnung nach Wincestre geschickt hat, die dort seine Krone abholen soll«, sagte Robert, und ich hörte eine Anspannung aus seiner Stimme heraus, die ich sonst nicht an ihm kannte. »Angeblich will er sich am Weihnachtsmorgen hier in der Stadt krönen lassen.«
    »In Eoferwic?«, fragte ich und wies auf die Trümmer der früher so stolzen Stadt. Ich konnte es kaum glauben. »Wieso denn das?«
    Er wandte den Blick ab, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wenngleich ich mir seine Miene lebhaft vorstellen konnte. Dann sagte er: »Ich habe nie behauptet, dass ich die Motive des Königs verstehe. Er wünscht es nun einmal, und so wird es geschehen.«
    Ich spürte deutlich, dass Robert ungehalten war, daher ließ ich das Thema auf sich beruhen und bohrte nicht weiter nach. Dass der König außerordentlich launisch war, war allgemein bekannt. Er war einerseits eine beeindruckende, ehrfurchtgebietende Persönlichkeit, andererseits ungemein starrköpfig und stets darauf bedacht, seinen Willen durchzusetzen. Widerspruch duldete er grundsätzlich nicht. Ich war ihm zwar nur einmal persönlich begegnet, hatte aber sofort begriffen, dass man sich mit dem Mann besser nicht anlegte.
    »Noch einmal meinen tief empfundenen Dank«, sagte Robert und wandte sich mir wieder zu. »Ich werde Euch und Eure Kameraden großzügig belohnen, das verspreche ich. Und jetzt: eine gute Reise. Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.«
    »Das hoffe ich auch, Mylord.«
    Wir umarmten uns, dann gingen wir beide unserer Wege. Meine Kameraden warteten schon mit Fyrheard auf mich, und ich wusste, dass es Zeit war aufzubrechen. Weihnachten war nicht mehr fern, und die Wintersonnwende stand bevor. Bis Licedfeld, wo die Überlebenden aus Earnford auf mich warteten, war es noch ein weiter Weg. Und von dort aus hatten wir dann auch noch die weite Reise in die Marken vor uns. Ich stieg in den Sattel und sah Serlo und Pons an, die neben mir reiten sollten. Dann drehte ich mich um und vergewisserte mich, dass Ceawlin, Dægric und Odgar, Father Erchembald und Ædda reisefertig waren.
    Wir zogen aus Eoferwic ab und traten die lange Reise nach Süden an.
    »Glaubt Ihr eigentlich, dass die Dänen Wort halten?«, fragte mich Ædda später, als Eoferwic schon einige Meilen hinter uns lag. »Ob sie im Frühjahr wirklich friedlich abziehen, wie sie es versprochen haben?«
    Die Landschaft ringsum war von Raureif überzogen, und der Boden unter den Hufen unserer Pferde war steinhart; sämtliche Pfützen waren zugefroren, und unser Atem bildete kleine Wölkchen.
    »Was König Sven vorhat, weiß nur Gott allein«, sagte ich. »Wahrscheinlich hat er mit Eadgar vereinbart, dass die beiden England unter sich aufteilen. Aber da der Ætheling wieder nach Norden gesegelt ist und wir die Waliser nicht mehr zu fürchten haben, wüsste ich nicht, wie die Dänen uns noch besiegen wollen.«
    »Wenn wir Glück haben, nehmen sie endlich Vernunft an und segeln nach Hause zurück«, murmelte Pons.
    »Vernunft?«, schnaubte Serlo. »Die Dänen wissen doch gar nicht, was das ist.«
    Über die Bemerkung musste ich lächeln. Die Dänen interessierten sich tatsächlich vor allem anderen für Silber und Kriegsbeute. Deswegen waren sie nach England gekommen, und man konnte sich darauf
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