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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt
Autoren: Robert Pragst
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Vorwort
    W as heißt es, Staatsanwalt zu sein? Verändert es den Charakter, wenn man tagein, tagaus nur mit den schlechtesten Wesenszügen der Menschen zu tun hat? Wenn man auf der einen Seite mit gemeinen Straftätern und auf der anderen mit bemitleidenswerten Opfern konfrontiert ist?
    Wie lebt man damit, dass ein Täter, den man als Staatsanwalt mit aufwendigen Ermittlungen »überführt« zu haben glaubt, vom Gericht wegen »letzter Zweifel« freigesprochen wird? Obwohl man der festen Überzeugung ist, dass der Täter schuldig ist?
    Stumpft man im Prozessalltag irgendwann selbst gegenüber schwerwiegenden Vergehen ab? Verfolgen einen die Verbrechen auch zu Hause oder lernt man abzuschalten?
    Als ich im Rahmen meiner Ausbildung meinen einjährigen Dienst bei der Staatsanwaltschaft Berlin antrat, machte ich mir über all diese Fragen keine Gedanken. Vielmehr befürchtete ich, der Arbeit in der mit Abstand größten Staatsanwaltschaft Deutschlands vielleicht überhaupt nicht gewachsen zu sein. Ich hatte schlimme Gerüchte aus dem riesigen Gerichtskomplex in Berlin-Moabit gehört. Einer Strafverfolgungsfabrik mit allein dreihundertdreißig Staatsanwälten, wobei das Gebäude selbst, als einer der bedeutendsten Bauten der wilhelminischen Zeit, eine solche Bezeichnung eigentlich nicht verdient hat.
    |6| Mir war klar, dass in meinem letzten Jahr als Proberichter eine Menge Arbeit auf mich warten würde und zum Schluss vielleicht die Enttäuschung, dort als Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt zu werden. Mein Berufswunsch war es aber, Zivilrichter zu werden.
     
    Die vielen Eindrücke und Erlebnisse, die ich während dieses Jahres hatte, bilden Grundlage und Motivation für dieses Buch. Sie sollen dem Leser die Möglichkeit geben, ein realistisches Bild von der Tätigkeit eines Staatsanwaltes zu gewinnen. Ein Bild, das mit dem medial in Gerichtsshows vermittelten Dasein des Staatsanwalts überhaupt nichts zu tun hat.
     
    Das Buch vermittelt zugleich in kleineren und größeren Fallerzählungen einen Ausschnitt der »ganz normalen« Großstadtkriminalität, die in dieser Zeit auf mich einstürmte.
    Am ausführlichsten erfolgt dabei die Schilderung eines Raubüberfalls auf einen Tante-Emma-Laden, der nach langwierigen Ermittlungen schließlich auf meinem Schreibtisch landete. Daran lässt sich der Gang eines Strafverfahrens von der Tat bis zum Urteilsspruch mit allen Höhen und Tiefen, Ermittlungspannen und Fehleinschätzungen plastisch nachvollziehen. Und er gewährt einen kleinen Eindruck davon, was es eigentlich heißt, wenn in einer Tageszeitung auf Seite 17 kleingedruckt steht:
    |7| ÜBERFALL. Vier maskierte Männer haben am Donnerstag ein kleines Geschäft in Berlin-Friedrichshain überfallen. Sie drangen kurz nach Ladenschluss in die Verkaufsräume ein und bedrohten die beiden Inhaber mit einer Pistole. Nach einem Handgemenge raubten sie das Geld aus der Kasse und flüchteten.

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Ein fast perfekter Raub
    S ie hatten sich den kleinen Laden gut ausgesucht. Er lag in einer eher ruhigen Berliner Wohngegend an einem Platz, von dem fünf Straßen abgingen. Um den Platz herum ein Gewirr von kreuzenden Straßen. Außerdem befand sich der Bahnhof Warschauer Straße kaum fünfhundert Meter entfernt. Dort fuhren mehrere S- und U-Bahnen .
    Den Laden, der kleinere Artikel des täglichen Bedarfs anbot, hatten sie vorher ausspioniert. Einer hatte eine Schachtel Zigaretten gekauft und mit einem Hunderter bezahlt. Später erzählte er, dass er in der Kasse viele Scheine, auch Hunderter, gesehen habe. Die Betreiber des Geschäfts, eine Frau und ein Mann, schätzten sie auf über fünfzig Jahre. Offensichtlich brachten sie die Einnahmen nicht täglich zu einer Bank oder Sparkasse. Der Laden schloss gegen 18   Uhr, der Mann befestigte dann Stahlgitter vor den Fenstern und ließ die (gut gesicherten) Rollläden runter. Wenig später verließen er und die Frau den Laden durch eine seitliche Tür, die zum Hausflur des mehrstöckigen Hauses führte.
    Sinan H. verzog das Gesicht und schnipste die Zigarette weg. Es war jetzt kurz vor 18   Uhr und sie waren bereit. Zu viert würden sie mit den alten Leuten kein Problem haben. Sie hatten ihre Masken, zwei Pistolenattrappen und Klebeband zum Fesseln dabei. Die Fluchtwege waren festgelegt.
    Er war nervös und schaute sich um. Nichts durfte schiefgehen. |9| Noch mal würde er sich nicht schnappen lassen. Nicht nachdem er wegen des Bankraubes in Leipzig zu dreieinhalb Jahren
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