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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt
Autoren: Robert Pragst
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Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Aber er hatte ein gutes Gefühl, die Strategie war stimmig und das Team aufeinander eingespielt. Sie hatten sich auf kleinere Geschäfte spezialisiert, die über keine oder nur geringe Sicherheitsvorkehrungen verfügten. Um an einträgliche Summen zu gelangen, waren zwar mehr Überfälle nötig – in den letzten fünf Wochen waren es drei Geschäfte gewesen   –, doch hatten sie es hier viel einfacher als in Banken, zumal es mittlerweile auch dort schwierig war, an größere Geldsummen zu gelangen. Von explodierenden Farbpatronen zwischen den Geldscheinen und ähnlichen Enttäuschungen ganz abgesehen. Sie agierten nur in Berlin und den neuen Bundesländern und dort ständig in anderen Städten.
    Es war jetzt 18   Uhr. Der Mann erschien am Ladenfenster und ein klapperndes Geräusch ertönte. Sinan gab das Zeichen.
     
    Werner L. ließ die Rollläden herunter und befestigte sie unten in der Verankerung. Erika L. hatte die Kasse bereits abgeschlossen und zog sich ihren Mantel an. Sie hatte wie ihr Mann in dem nahe gelegenen Werk für Fernsehelektronik gearbeitet und wie er kurz nach der Wiedervereinigung ihre Arbeit verloren. Die dort hergestellten Fernsehgeräte waren nicht wettbewerbsfähig und die Produktionsstätte veraltet, sodass sich auch kein Investor fand. Sie war stolz darauf, sich mit ihrem Mann diese neue, bescheidene Existenz aufgebaut zu haben. Die Anfangszeit war hart gewesen, sie hatten sich sehr einschränken müssen. Mittlerweile lief der Laden jedoch ganz ordentlich. An Urlaub war natürlich |10| nicht zu denken und Werner hatte ihr einmal ausgerechnet, dass sie genauso viel Geld zur Verfügung hätten, wenn sie zu Hause bleiben und Arbeitslosengeld beziehen würden. Doch das war nichts für Erika, und Werner wollte eigentlich auch nicht zu Hause herumsitzen und warten. Worauf auch? Beim Arbeitsamt hatte man ihnen gesagt, dass es ihren erlernten Beruf so gar nicht mehr geben würde. Außerdem seien sie aufgrund ihres Alters nur schwer vermittelbar. Schließlich kamen sie auf die Idee mit dem Laden. Erika verliebte sich schnell in den Beruf hinter der Ladentheke. Dank ihrer aufgeschlossenen Art bekam sie rasch Kontakt zu den Leuten in ihrem Kiez. Für einen kurzen Plausch war immer Zeit. Dafür war ein Tante-Emma-Laden ja schließlich da. Werner kümmerte sich nebenbei um den Warenankauf und die Buchführung.
    Es war nicht so einfach, nach der Wende zurechtzukommen. Doch sie hatten einen Platz gefunden und verdienten ihr eigenes Geld. Das machte sie glücklich und auch ein wenig stolz.
    Werner L. ging durch den kleinen Flur der umgebauten Wohnung zu seiner Frau und öffnete die Tür zum Hausflur.
     
    Sinan H. stand mit seinen drei Komplizen an der Tür zum Seitenausgang, als diese sich öffnete. Sie hatten ihre Masken auf, die sie aus Ärmeln und Hosenbeinen gebastelt hatten, zwei hielten Pistolenattrappen in der Hand. Schnell drückten sie die Tür weiter auf und schoben die verdutzten Ladenbesitzer mit vorgehaltener Waffe ins Ladeninnere. »Auf den Boden, Überfall!« Wie abgesprochen, kümmerten sich die Angreifer mit den Pistolenattrappen um den Mann, während die anderen beiden die Frau festhielten. Der |11| Mann war sichtlich erschrocken und versuchte die Männer abzuschütteln. »Verschwindet hier! Hilfe!«, brüllte er. Sie schlugen mit den Rückseiten der Pistolenattrappen zu. Der Mann blutete jetzt stark aus einer Platzwunde am Kopf, zwei Zähne flogen ihm aus dem Mund. Die Sache geriet langsam außer Kontrolle. Der Ladenbesitzer war mit seinen mehr als 90   Kilogramm deutlich schwerer als seine Angreifer, und er wehrte sich in panischer Angst. Das Gerangel in dem engen Eingangsflur des Ladens wurde immer heftiger.
    Erika L. schlug das Herz bis zum Hals. Die maskierten Angreifer wirkten furchteinflößend. Sie hielten sie fest und versuchten sie nach unten zu drücken. Sie hörte Werner schreien. Als sie zu ihm hinüberschaute, sah sie seinen blutüberströmten Kopf und dass die anderen beiden weiter auf ihn einschlugen. In dem Moment bekam sie einen Fausthieb ins Gesicht. Ihre schöne neue Brille, auf die sie Monate gespart hatte, zersplitterte und fiel zu Boden. Blut lief ihr ins rechte Auge, sie konnte nur noch auf der linken Seite etwas sehen. Sie wusste, dass sie kämpfen musste. Kämpfen, um in den Hausflur zu gelangen. Dort war Hoffnung und Licht, im Laden nur Gewalt und dunkle Masken. Mit einer schnellen Bewegung schmiss sie sich gegen
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