Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Salibi beim SIC gewesen; und eine Befreiungsaktion. Die Kunstmenschen hatten aus dem beschlagnahmten Vermögen je eine halbe Million Drachmen erhalten, außerdem Pässe und eine synthetische Identität. Für ihn waren 50000 dr an Belohnung abgefallen. Rhea hatte es bei ihm ein halbes Jahr ausgehalten. Die anderen neunundsiebzig waren, dem Vernehmen nach, seit der Befreiung auf rastloser Suche und Wanderschaft.
    »Wer hat den Brief gebracht?« sagte er nach einiger Zeit.
    »Ein Bote. Gegen acht. Mit Gleiter.« Sie bewegte sich nicht.
    Carteret seufzte. »Vielleicht hängt es mit einem Anruf von Kobra zusammen. Vor ein paar Monaten. Er sagte irgendwas wie, wenn ich eine seltsame Anfrage erhalte, soll ich mich an ihn wenden.«
    Rhea hob nur die Schultern. Wahrscheinlich wußte sie, daß er versuchte, sie für etwas zu interessieren, aber es interessierte sie nicht. Sie kannte Qorba Salibi, legat des SIC, vermutlich bald kapitán ; Mungos alter Freund aus der gemeinsamen Zeit bei der Flotte und der SIC-Ausbildung hatte den Einsatz auf Ganymed geleitet und sie einen Monat danach in Jobourg besucht.
    Er stieß sich vom Geländer ab. »Und alles nur, weil ein paar perverse Schweine spezifischen Lustgewinn suchen«, knurrte er.
    Diesmal blickte sie ihn an, mit einem zögernden Lächeln. »Ohne die perversen Schweine gäbe es das Problem nicht. Aber auch nicht mich. Auch nicht die letzten Monate.« Ihre Stimme war rauh.
    Bis zum Nachmittag brütete Carteret über den Ausdrucken des kompakt . In kurzen Abständen verfluchte er die Wissenschaftler und ihr Kauderwelsch, war ihnen dann wieder beinahe dankbar, da sie ihm offenbarten, wie undurchdringlich das klare und schlichte Galaktein gemacht werden konnte, wenn man nur wollte. Als er aus über 100 Seiten Material die Fakten herausgefiltert hatte, verglich er das, was in seiner Zusammenfassung zwei Seiten ausmachte, mit den Eintragungen in Band LXIII (»Sn-Tf«) des Lexikons der bewohnten Welten , ergänzte, strich, korrigierte und lehnte sich schließlich erschöpft zurück.
    »Moloch!«
    »Meister?«
    »Datum und Ortszeit Null-Länge Shamash, Null-Länge Gaia.« Er blickte auf den Kalender; in Greenwich war es 15:11 am 20. September 2878 AD, in Jobourg 17:11.
    »Shamash gleiches Datum wie Atenoa«, sagte der kompakt ; es klang fast vorwurfsvoll. »Dritter Juli Vierhundertneun Commonwealth-Tempo. Ortszeit Shamash-Null jetzt elf Uhr vierundneunzig; Ortszeit Atenoa siebzehn Uhr einundsiebzig.« { * }
    Carteret rieb sich die Augen. »Gute Anrufzeit – trotzdem, Kobra und Pamela können warten. Frag mal in Atenoa an, in der Akademie, Seminar für Xenologie. Namen und Adressen, wenn möglich Visifon von Spezialisten für Setebos, wenn vorhanden im Sirius-Sektor. Du weißt schon – möglichst nah.«
    »Ich weiß schon, edler Mann. Deine edle Faulheit.« Der kompakt gluckste leise. Sekunden später warf er ein Blatt mit elf Namen und Adressen aus.
    Carteret nahm es, las und klickte mit der Zunge. »Sieh da«, sagte er halblaut. »Die Erde produziert ja angeblich nur noch beste Weine und melancholische Kunst – aber auch Wissenschaftler; immerhin.« Von den elf in Sachen Stb beschlagenen Xenologen des Sektors lehrten oder forschten neun auf der Erde: Peking, Paris, Oxford, Salamanca, Harvard, Berkeley, Damaskus, Rom, Prag. »Gutes altes Europa.«
     
    Sie redeten nicht sehr viel an diesem Abend. Rhea hatte den Tag damit verbracht, zu denken und zu grübeln, durch die Umgebung zu wandern, letzte Äpfel zu pflücken und zu baden. Carteret hantierte in der Küche und brachte ein eßbares Gemenge aus Äpfeln, Kartoffeln, Rosinen und Geflügelfleisch zustande. Rhea ging früh schlafen. Mitten in der Nacht kam sie in Mungos Schlafzimmer und schlüpfte wortlos in sein Bett. Auch dieser Teil des Abschieds war stumm, von einer seltsamen, fast wütenden Intensität.
    Der Robotgleiter kam pünktlich um neun; sie wollte den Abschied nicht verlängern, nicht von Carteret zum Raumhafen gebracht werden. Ihr Gepäck bestand aus einer Leinentasche mit Wäsche, ein paar echten Büchern und sonstigem Kleinkram, Paß, Kreditkarte der Bank von Atenoa, einer Walnuß aus Mungos Garten und einem Blatt der uralten Blutbuche.
    »Wenn du feststellst, daß der Traum sich ändert«, sag te Carteret, »daß aus der fernen Sonne der alte Leuchtturm da vorn wird …«
    Sie nickte und ließ seine Hände los. Abends würde ein kleiner Frachter, der auch Passagiere beförderte, Europort Nord verlassen, die riesige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher