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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret
Autoren: Gisbert Haefs
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Insel aus Stahl und Beton vor der Themsemündung, mit Kurs auf Rigel. Der Gleiter startete.
    Mungo Carteret ging langsam zurück ins Haus, saß lange in der Küche, trank viel Kaffee mit viel Calvados und zwang sich, die Außenwelt zur Kenntnis zu nehmen. Er holte den mobilen Schirm, stellte ihn auf den alten Geschirrschrank aus Eiche und konzentrierte sich auf die vom kompakt gespeicherten Commonwealth-Nachrichten des Satelliten. Erdbeben im Süden von Kurili stan/Thutmes V; ein Landungsunternehmen der Flotte gegen eine ausufernd brutale Diktatur auf Zarbany/Jagnath VIII; eine Rede der Lordkanzlerin vor dem Rat der Welten – die Chefin der Administration bat das Parlament dringend, die Budgetdebatten endlich zum Abschluß zu bringen. Unter Beifall und Gelächter zitierte sie Dorji Dyogen Bahadur, mit einer Ergänzung. »Auch für Mitglieder der Regierung gilt diese Bemerkung der Noastoa: Jeden Morgen gelassen und heiter feststellen, daß die Scheußlichkeit des Kosmos unvermindert andauert. Oder auch: Jeden Tag im Rat der Welten gelassen und heiter feststellen, daß die Sturheit der Deputierten unvermindert den Weg zu Wichtigerem blockiert.«
    Carteret grinste matt, schaltete aus, duschte, zog frische Sachen an und stürzte sich in die Arbeit. Er war noch immer nicht sicher, daß er den Auftrag übernehmen wollte, wußte aber, daß er irgend etwas tun mußte. Wieder überflog er seine Zusammenfassung und bemühte sich, die wichtigsten Fakten im Kopf zu behalten.
    Stb/Legua II wurde 149 CT von einem Kartographenschiff entdeckt. Es dauerte einige Zeit, bis die Forscher begriffen, daß der Planet intelligentes Leben trug; zu nächst hatte man die wandernden Strünke für unbeseelte Flora gehalten. Die Linguisten des Schiffs stellten fest, daß gewisse Zisch-, Knack- oder Knurrlaute hörbar wurden, wenn man sich den Strünken näherte; die Definition dieser wahrnehmbaren Geräusche als »Konsonanten« war waghalsig, lieferte aber eine brauchbare Arbeitshypothe se. Unhörbare »Vokale« wurden mit Hilfe der zahlreichen Apparate der Linguisten gesucht und gefunden: im Infra- bzw. Ultraschallbereich. Schwingungsmodulatoren mach ten diese Töne für Menschen halbwegs hörbar und stell ten sie graphisch dar; sehr bald kam man über die gegenseitige Benennung einfacher Gegenstände zu einer Basiskommunikation, auf der sich aufbauen ließ. Das hörbare stb , mit dem die Strünke – die sich qlf nannten – ihre Welt bezeichneten, wurde von einem literarisch bewanderten Linguisten zu Setebos , das qlf unweigerlich zu Kalibern gemacht.
    In der kommentierenden Darstellung des Lexikons der bewohnten Welten hieß es:
     
    Erwachsene qlf werden zwischen 1,80 und 2,20 m groß; nach eigener Auskunft beträgt die mittlere Lebenserwartung ca. 160 Standardjahre (Gaia). Dank ihrer flexiblen Sprechorgane können sie sich ande ren Commonwealth-Bewohnern im hörbaren Bereich verständlich machen, neigen jedoch dazu, Vokale entweder auszulassen oder sämtlich durch einen unverbindlichen shwa -Laut zu ersetzen. »Gib mir mal das Messer Josef« könnte etwa lauten: kp mrr mlts msrzzf …
    Die qlf verfügen über eine uralte mündliche Kultur, aber keinerlei Zivilisation; auch Bauten wurden auf stb nie errichtet, da die qlf absolut witterungsresistent sind. Über die Bedeutung der »Heiligen Höhlen« wurde viel spekuliert, vgl. dazu § 9 …
    Seit Beitritt zum Commonwealth (174 CT) ist Setebos die Welt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Galaxis: 1,25 Mio dr entfallen jährlich im Schnitt auf jeden Kaliban. Die Konzessionen zur Ausbeutung der Meere von Setebos – reich an Manganknollen, Uran, gelöstem Gold etc. – tragen etwa 10 Milliarden dr p. a. ein, und die Zahl der Kaliban liegt um die 8000 Individuen.
    Dies ist gleichzeitig das größte Problem der seltsamen Rasse. Die Fortpflanzung erfolgt durch Sporen, die von alten, unbeweglich gewordenen Individuen gehegt werden, bis die »Sprößlinge« nach drei bis vier Jahren ca. 65 cm groß und »autonom« sind … Das Kernproblem der »Zufallssexualität« konnte bisher auch durch Einsatz modernster Forschungs- und Manipulationsmethoden nicht gelöst werden. Kaliban verfügen über fünf verschiedene Geschlechtsorgane; im jährlichen Wechsel ist eines davon aktiv, die übrigen vier passiv. D. h. es gibt fünf Geschlechter, und kein qlf -lndividuum weiß, welchem Geschlecht es im nächsten Jahr angehören wird. Sexuelle Betätigung ist jederzeit möglich und führt zu für Humanoide
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