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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret
Autoren: Gisbert Haefs
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und begann zu reden. Sie redete schnell und ausdauernd; zwischendurch befeuchtete sie die Lippen mit der Zunge. Die Kaliban, erfuhr Carteret, seien Sauerstoffatmer; die Atmosphäre von Setebos sei dünner, die Schwerkraft geringer, aber im Prinzip gehöre Setebos zum Terratyp. Die Körperoberfläche der Kaliban weise Ähnlichkeiten mit irdischen Hartholzarten auf; zwar könne ein Kaliban kurze Zeit hohe Gravitation und fremde Atmosphären ertragen, sogar bis zu einer Stunde das Vakuum des Weltraums überleben, aber ätzende Atmosphären seien undenkbar.
    Sie wandte sich dem Terminal zu; die Finger huschten über die Tasten. Auf dem Schirm erschien die Spitze – der »Kopf« – eines Kaliban.
    »Jetzt wird es schwierig – vor allem sprachlich. Für die diversen Organe gibt es natürlich keine Entsprechungen; deshalb müssen wir uns entweder mit Umschreibungen behelfen, oder wir übernehmen entstellte Wörter aus ihrer – tja, Sprache. Damit wir uns nicht die Zunge an Konsonanten aufsplittern, haben wir den für uns unhörbaren Bereich ihrer Vokale, wenn man sie so nennen will, in fünf Stufen unterteilt. Dabei geben wir Tausende differenzierte Schwingungen jeweils durch einen Laut wieder – entsetzlich primitiv, aber wie sonst? Die fünf Stufen sind i, e, a, o, u; arbiträr, natürlich, nur eine Krüc ke. Der höchste Bereich wäre i, der niedrigste u. Klar?«
    Carteret nickte stumm.
    »Gut. Dies hier.« Ein länglicher Schlitz im Kaliban-»Kopf« wurde auf dem Schirm vergrößert. »Die Sprechöffnung, khunif . Das da ist die Optik – Augen, wenn man so will.« Ein den ganzen oberen Teil des Strunks umgebender Kranz haarfeiner »Ästchen« wurde vergrößert. »Eigentlich Auge und Ohr – falafqef . Sie sehen Infrarot und Radiowellen aller Frequenzen. Aus allen Richtungen gleichzeitig. Das Gehirn, wenn man es so nennen will, zieht sich durch den ganzen Körper – wie Mark.« Drei Halbkreise, wie halbgeöffnete Taschen. »Die Atemhöhlen – nuqit .« Es folgten die Pseudopodien zur Fortbewegung, flexibel und veränderbar; die feinen »Wurzeln« zur Nahrungsaufnahme, die in Körperhöhlen – qintuqfit – zurückgezogen werden konnten; die vielgestaltigen »Finger«, Tentakelspitzen.
    »All dies«, sagte Tschitschagow mit einem kaum merklichen Unterton des Bedauerns, »steckt voll sensorischer Nerven und dient auch und besonders der sexuellen Stimulation. Kommen wir zu den eigentlichen Geschlechtsorganen.«
    Eine mit kleinen weichen Plättchen gefüllte Höhlung: »Organ des ersten Genus khelap ; die Höhle nennt sich qenufur .« Eine Art verzwirbelten Schlauchs mit Verdic kungen, an der Spitze verjüngt, aber auch zu einer Höhle aufblähbar: »Das zweite Genus ist kinip ; das kennzeichnende Organ – kennzeichnend falls aktiv – ist paqukhat .« Eine fransige Öse, die auch gewölbte Schlinge oder Stulpwulst werden konnte: »Genus drei heißt kharep ; der Name des Organs ist qukiqurrup .« Genus vier, funup , prägte eine fast kreisförmige Muffe aus, in deren Mitte ein winziger Stachel saß, der bei Aktivierung zur fünfzigfachen Größe anschwellen konnte. »Der Name ist kholpelef .« Genus fünf schließlich, fe-fep , wies einen tiqutafat genannten Stachelball mit unzähligen Höhlungen auf; Stacheln und Höhlen waren im Zustand der Aktiviertheit um ein Vielfaches zu vergrößern. Jedes Kaliban verfügte über all diese Organe – passiv.
    »Die erotischen Amplituden sind unvorstellbar.« Avi va Tschitschagow seufzte. »Die energetische Spannung und Entladung eines Kaliban, das beispielsweise mit den Wurzeln Spuren von Öl oder Uran findet, liegt meßbar bereits im oberen Bereich dessen, was bei uns, hm, bei einem normalen Orgasmus geschieht. Nun sind Kaliban sehr beweglich; und Lustgewinn ist nicht abhängig von voller Aktivierung aller Organe. Ein khe-lap zum Beispiel kann Tentakelspitzen in sein qenufur einführen oder sich ohne Mühe den nicht aktivierten paqukhat ins qenufur stoßen. Diese Verbindung eines Kaliban mit sich selbst nennen wir Monon.«
    »Mononanie«, sagte Carteret. Er grinste leicht.
    »Wenn es sein muß. Aber was dabei an Entladung frei wird, ist das Vierfache des besten Menschenmöglichen. Wenn sich zwei Kaliban zu einem Bion zusammenschließen, erreichen wir die obere Grenze der Skala. Und bei einem Trion dreier Kaliban müssen wir, um überhaupt etwas messen zu können, eine Skala verwenden, auf der ein menschlicher Orgasmus bestenfalls eine mikroskopische Zuckung im Nullbereich
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