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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret
Autoren: Gisbert Haefs
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Loredanos Sicherheitsleute und die SIC-Agenten haben versucht, Arisha Punt gewaltsam zu befreien. Da sie nicht befreit werden wollte, ging das nicht ohne Lärm und Handgemenge ab, und dabei sind die Männer getötet worden. Man hat sie an der Grenze von Gurgash … na ja, deponiert, als Zeichen, das nur ein Eingeweihter wie Loredano verstehen konnte. Der sich natürlich gehütet hat, etwas zu sagen.«
    »Moment, Moment«, unterbrach Salibi. »Das mit dem Zeichen kannst du mir später erklären – aber wieso woll te dam Punt nicht befreit werden?«
    »Man hat ihr in Gurgash alles erzählt, was es über ih ren Mann zu erzählen gab. Einiges hatte sie wohl schon geahnt; das Verhältnis, heißt es, war zuletzt nicht mehr sehr herzlich. Die Gepflogenheiten der Kommensalität haben ihr aber den Rest gegeben.«
    Osmin hob die Brauen. »Was für Gepflogenheiten? Reden wir von Aspolynga?«
    »So ist es. Die hundertfünfzig wichtigsten Sippen, die Kommensalen, sind durch ihren gemeinsamen Tisch verbunden. Einmal im Jahr, immer Ende Oktober, treffen sie sich zum sogenannten Großen Tisch. Sie teilen seit Jahrhunderten die Macht und den Reichtum und sind miteinander unauflöslich verbunden.«
    »Was heißt unauflöslich?«
    »Im Mausoleum steht: ›Ein Fleisch, ein Blut, ein Boden‹. Sie stehen füreinander ein, und wenn jemand, zum Beispiel ein Hilaire Loredano, Startkapital für Geschäfte braucht, gibt man es ihm. Blut und Boden ist klar, das hatten wir in der Geschichte schon öfter. Aber es gibt da das eine, einigende, heilige Ritual …«
    Salibi riß die Augen weit auf. »Fleisch?« Seine Stimme klang sehr flach. Osmin gluckste plötzlich.
    »Unter denen, die fünfzig geworden sind, wird gelost. Der, den das Los trifft, wird in tausend kleine Teile zerlegt und von den anderen am Großen Tisch gegessen. Die Knochen werden verbrannt, und da alle Kommensalen sich einäschern lassen, fällt das nicht weiter auf. Das Todesdatum der Ausgelosten ist immer der !. November. Das Ende des Großen Tischs. Loredano ist nach irdischer Rechnung, und der von Aspolynga, im letzten Jahr 50 geworden und hat sich seitdem nicht mehr ins Niemandsland begeben. Er wollte, nachdem er die Vorteile der Kommensalität genossen hat, die vereinbarten Nachteile meiden. Deshalb die Entführung, deshalb dieses Ulalu me-Ultimatum, zu dem er sich persönlich hätte begeben müssen. Man hat ihm genau ein Jahr Zeit gegeben, und auf Ulalume hätte man ihn dann wohl entführt. Wie hier und jetzt.«
    »Wer hat das ausgetüftelt? Dieser Älteste? Leonardo Loredano?«
    »Übrigens«, sagte Carteret, »ein hübsches Anagramm – Leonardo Loredano. Gefällt mir.«
    »Tja.« Salibi runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was ich in den Bericht schreiben soll. Ich weiß nicht mal, was ich sagen soll.«
    Osmin nickte und wandte sich ab.
    Mungo blinzelte. »Wie wär’s mit bon appetit !«
     

Nachweis der Texte
     
     
    Wanderlust
    Copyright © 1989 by Gisbert Haefs
    Erstveröffentlichung in Jörg Weigand (Hrsg.):
    DIE ANDEREN SIND WIR,
    Bergisch Gladbach 1989
     
    Mundwerk
    Copyright © 1990 by Gisbert Haefs
    Erstveröffentlichung in Vincent Klink, Stephan Opitz (Hrsg.): DIE RÜBE 2, Zürich 1990
     
    Heimweh
    Copyright © 1994 by Gisbert Haefs
    Erstveröffentlichung in Bernhard Matt (Hrsg.):
    HAFFMANS KRIMI JAHRESBAND 1994,
    München 1994
     
    Seelenkot
    Copyright © 2002 by Gisbert Haefs
    Erstveröffentlichung in Michael Nagula (Hrsg.):
    FEUERATEM. DAS GROSSE DRACHEN-LESEBUCH, München 2002
     
    Tischgenossen
    Copyright © 2007 by Gisbert Haefs
    Erstveröffentlichung in diesem Band

* »neue Stoa«, Staatsphilosophie des Commonwealth. Ursprünglich wohl aus einer Art Heimweh nach gegliederter Unordnung von oft bizarren Denkern unabhängig voneinander gegen Ende der Wirren Jahrhunderte (nach dem Kollaps der Erde und des Verbunds ihrer Kolonien) auf verschiedenen Welten entwickelt; zunächst als »konfuzianisches Freistildenken«, »gräkoromanische Chinoiserie« oder »Windbeutel-Stoa« bezeichnet. Später auf Gaia formalisiert und verbindlich gemacht durch Dorji Dyogen Bahadur (67-181 CT) und Ashme Zuvarov Chou (112-201 CT), die ersten Ordinatoren des Peripatio im Rahmen der Großen Akademie von Atenoa. Mit Examen beendetes Studium der Noastoa ist obligatorisch für Staatsdiener, Diplomaten etc.
    * Servis Investigativo del Commonwealth, zentrale Ermittlungsbehörde mit Büros und Agenten auf den meisten Welten; im Zweifelsfall den örtlichen Polizeidienststellen
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