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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret
Autoren: Gisbert Haefs
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sich aus.«
    »Klar doch. Was wollen Sie wissen?«
    »Ich wollte mir morgen dies und das anschauen und hätte gern ein paar Tips.«
    Der junge Mann nickte. »Fragen Sie.«
    Mungo zog eher beiläufig einen hundert-Florin-Schein aus der Brusttasche seines Hemds und faltete ihn in Längsrichtung. »Es könnten einige, hm, indiskrete Fragen dabei sein.«
    »Sie wissen doch, wie Künstler sind. Je indiskreter, desto lieber. Aber eigentlich ist ja hier nichts geheim.« Der Maler sah mit offenkundiger Anteilnahme zu, wie Carteret den Geldschein abermals faltete.
     
    Morgens fand Mungo am Empfang einen Umschlag vor; er enthielt ein Blatt mit einigen Namen und Adressen.
    Alf erschien spät zum Frühstück. »Das hiesige Bier«, sagte er. »Aber ich habe einen Fischer gefunden, der mich mit rausnehmen und dabei Geschichten über die Reichen erzählen will. Wie spät ist es? Uh, dann muß ich sofort los.«
    »Viel Glück.«
    Mungo frühstückte in aller Ruhe. Danach ging er zurück aufs Zimmer, markierte ein paar Stellen auf dem Stadtplan, zerriß das Blatt des Nachtportiers, warf es in die Toilette und spülte gründlich.
    Auf einem Hügel am Ostrand der Stadt fand er das Mausoleum der Kommensalen. Ein alter Mann mit einem Krummstab saß am Eingang. Als Carteret ihn fragte, ob man das Gebäude betreten dürfe, sagte der Alte:
    »Ja, jeder, der sich benimmt. Sogar Commies.«
    Staunend ging Mungo eine Stunde darin umher. Der Bau erinnerte ihn an Roms Pantheon, war aber höher und hatte am Boden einen Durchmesser von fünfhundert Schritten. Durch die teilweise farbig verglaste, gewaltige Kuppel stürzten Kaskaden vielfarbig grellen Lichts auf die Monumente aus ockerfarbenem und grünlichem Stein, vermutlich so etwas wie pentagonischer Marmor. In der Mitte der Halle gab es im Boden eine Art Rosette aus einer Million bunter Steinchen; darin sah Carteret zwei Textzeilen:
     
    Die Kommensalität von Gurgash
    Ein Fleisch , ein Blut , ein Boden
     
    Jede der hundertfünfzig Sippen, die die Kommensalität bildeten, hatte innerhalb des Mausoleums einen eigenen Pantheon – er wußte nicht, ob er diese Unterteilung als Kapellen oder Seitenschiffe oder Binnenmausoleen be zeichnen sollte. In jeder Sippenabteilung gab es eine gro ße Tafel mit den Namen und Lebensdaten, beginnend mit der ersten Generation nach Einrichtung der Kommensalität im Jahr 2371. Carteret stellte fest, daß in jedem Jahr seit 2450 jemand am 1. November gestorben war. An den Wänden und in Nischen standen beziehungsweise ruhten lange Reihen von Urnen.
    So war es auch im Pantheon der großen Händlerfami lie Loredano. Die Namen Igur Loredano und Tanuya Shariq Loredano waren auf der Gedenktafel verzeichnet; ihre Asche befand sich in Urnen in einer der oberen Reihen an der linken Seite.
    Vom Mausoleumshügel ging Carteret zu einem klei nen, von uralten Scheineichen und Zitterulmen bestandenen Platz. An dessen Nordseite lag hinter hohen Eisengittern der Stadtpalast der Loredanos. Carteret bat den livrierten Diener, der ihm öffnete, um eine Unterredung mit dam Arisha Punt.
    »Wen darf ich melden, und worum handelt es sich?«
    »Aristide Montgomery Carteret, von der Erde, im Auf trag des SIC.«
    Einige Minuten später wurde er in einen hohen, mit dunklen Hölzern getäfelten Saal geführt. In den Regalen an den Wänden standen, schätzte er, um die dreißigtau send Bücher. Es gab einen großen Billardtisch, verkleide te Rechnerkonsolen, bequeme alte Sessel, und am Ende des Saals vor einem großen Fenster saß Arisha Punt. Sie hat te ein Buch vor sich auf dem Tisch liegen und blickte ihm entgegen.
    »Ich bin entzückt, Sie zu sehen.« Mungo deutete eine Verneigung an. »Darf ich Ihnen drei Fragen stellen?«
    Sie deutete auf einen gepolsterten Stuhl neben dem ih ren. »Setzen Sie sich. Welche Fragen?«
    »Erstens: Ist es zutreffend, daß Sie vor allem wegen Ihrer eigenen Geschäftsanteile nach Ulalume geflogen sind und nicht unbedingt für Ihren Mann, mit dem Sie nichts mehr verbindet?«
    Arisha Punt hob einen Mundwinkel; es mochte die Andeutung eines schrägen Lächelns sein. Dann streckte sie die Hand aus und griff zu einer kleinen Messingglocke.
    »Zweitens: Möchten Sie zu Firma und Familie nach Babilu heimkehren, aber nicht zu dom Loredano?«
    Sie hob die Glocke und ließ sie klingen.
    »Drittens: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ansprüche der meisten Beteiligten zu respektieren und zugleich dom Loredano auf Dauer von Shamash zu entfernen. Mögen Sie darüber
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