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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret
Autoren: Gisbert Haefs
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reichlich.«
    Carteret dankte ihr und blieb noch einen Moment am Hafenbecken stehen. Er sah Fischerboote und ein paar mehr oder minder luxuriöse Yachten, einen großen Seg ler – wahrscheinlich Passagierschiff mit Hilfsmotor, sag te er sich – und weiter draußen einen riesigen flachen Last kahn. Meer und Hafen rochen, wie Meer und Häfen riechen sollten, dachte er. ›Wie zu Hause.‹
    »Kommen Sie endlich?« sagte Alf. »Wo sollen wir absteigen?«
    »Die Frau vom Kiosk schlägt das Rizzo oder den Purpurpalaz vor. Wissen Sie was besseres?«
    »Nein.«
    »Dann versuchen wir’s mit dem Rizzo .«
    Das Hotel lag an einem kleinen Platz nördlich der Plaza Terra, schien solide Mittelklasse zu bieten, akzeptierte auch Drachmen und sogar Zahlkarten der wichtigsten Commonwealth-Banken.
    Carteret brachte sein geringes Gepäck in seinem Zimmer unter, testete die angenehm harte Matratze und ging wieder hinunter. Im Speisesaal war nicht viel Betrieb. Er hatte sich eben erst gesetzt und begonnen, die Speisekar te zu enträtseln, die allerlei unbekannte Fisch-, Fleisch- und Gemüsesorten sowie mysteriöse Saucen anbot, als Alf zu ihm kam.
    »Tun wir heute noch was?« sagte er.
    »Essen«, sagte Carteret. »Danach werde ich einen kleinen Abendspaziergang machen und gründlich schlafen. Und morgen gehen wir ans Werk.«
    Alf knurrte etwas; lauter sagte er dann: »Wie wollen wir es anpacken?«
    Carteret hob die Hand. »Moment.« Er wandte sich an den Kellner, der neben dem Tisch aufgetaucht war und wartete.
    »Die Karte stellt uns vor gewisse Probleme«, sagte er. »Können Sie uns vielleicht etwas empfehlen?«
    »Falula«, sagte der Kellner, »ein Seefisch mit festem roten Fleisch, in Weißwein gedünstet. Danach, wenn Sie Wild mögen, zum Beispiel die Lende vom Pentokapi, gebraten, in Kommensal-Sauce, mit einer Mischung aus Obst und Gemüse. Käse. Süßspeisen-Allerlei. Dazu Was ser und Bier oder Rotwein aus dem Tevrempe-Tal, sieben Jahre alt.«
    Alf hob die Brauen, nickte und bestellte Bier; Carteret sagte: »Einverstanden, ich nehme den Rotwein. Aber was ist Kommensal-Sauce?«
    Der Kellner lächelte. »Eine süßsaure, sehr aromatische Tunke, wie sie die Kommensalen am Großen Tisch verwenden – angeblich.«
    Während des vorzüglichen Essens redeten sie nicht viel; erst beim Dessert besprachen sie die Arbeitsteilung für den folgenden Tag. Alf wollte sich am Hafen und in den gewöhnlichen Kneipen umschauen und versuchen, von den Leuten etwas über besondere Ereignisse, Zwischenfälle und alte Verliese zu erfahren. Carteret sagte, er werde sich um vorsichtige Kontakte zu Fernhändlern bemühen, Leuten, die häufiger mit dem Commonwealth zu tun hätten.
    »Wir müssen aber umsichtig sein«, sagte er schließlich. »Wahrscheinlich können wir nur darauf hoffen, daß jemand sich verplappert; direkte Fragen könnten uns in unangenehme Nähe von Blasrohren oder ähnlichen Geräten bringen.«
    Nach dem Essen zog Alf los – »man kann mit den Kneipen ja auch gleich beginnen.« Carteret machte einen kurzen Spaziergang zum Hafen und zurück, stellte fest, wann die Schicht des Nachtportiers beginnen sollte, und begab sich mit einer weiteren Flasche des köstlichen Tevrempe-Weins auf sein Zimmer. Dort trank er, dachte nach, studierte den Stadtplan und beredete leise seine bisherigen Erkenntnisse mit dem kompakt .
    »Soll ich jetzt die Rechenarbeit machen, für die du hochgradig unqualifiziert bist?« sagte der kompakt schließlich.
    »Gaiajahre, Terrajahre, Daten? Ja, bitte, Moloch; das ist Arbeit für einen Blechidioten wie dich.«
    Als Carteret mit leisem Pfeifen und breitem Grinsen die Ergebnisse betrachtet hatte, goß er Wein nach, trank auf das Wohl des Rechners und wartete auf die Mitternacht. Und mit läßlichem Erstaunen sagte er sich, daß er von Pamela und der Noastoa wie so oft gut beraten worden war. Mangel an Perlen, Überfluß an Säuen und ein unsichtbares Labyrinth …
    Kurz nach Mitternacht ging er hinunter zum Empfang. Der Nachtportier begrüßte ihn mit einer angedeuteten Verbeugung. Er mochte etwa 30 sein und gab zu, daß er diese Arbeit für zehn Florin pro Nacht als Notbehelf verrichte, weil er von seinen Gemälden (er nannte sie, als Carteret nachfragte, »trivial-melophantastische Anti-Epiphanien«) noch nicht leben könne. Als Mungo ihn darum bat, versprach er, in der nächsten Nacht einige Beispiele mitzubringen.
    »Sehr schön«, sagte Carteret. »Sind Sie von hier? Ah, gut; dann nehme ich an, Sie kennen
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