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Assassino

Assassino

Titel: Assassino
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Vorahnungen
    Als Kati den Rektorenpalast verließ, hatte sie zum zweiten Mal an diesem Tag das Gefühl, dass sie jemand beobachtete.
    Beim ersten Mal, heute Morgen in der Kathedrale, hatte sie es noch als Einbildung abgetan. Aber jetzt fiel ihr das nicht so leicht.
    Sie drehte sich um. Doch außer einer Touristengruppe, die hinter ihr durch die Pforten des Palastes ins Freie strömte, konnte sie nichts Besonderes erkennen.
    Sie blickte auf den sonnenüberfluteten Platz, der vor ihr lag. Er wimmelte von Menschen, die allein oder in Gruppen von einer Sehenswürdigkeit Dubrovniks zur nächsten zogen.
    Kati trat aus dem Schatten der Balustraden und ging die paar Schritte zur Rolandstatue. Dort bückte sie sich und fummelte an den Schnürsenkeln ihres Sneakers herum. Dabei suchte sie unauffällig ihre Umgebung ab.
    Aber wie sollte sie in diesem Gewimmel einen Verfolger erkennen?
    Und vor allen Dingen: Warum sollte jemand sie überhaupt verfolgen?
    Außer ihrem Vater und Chris wusste niemand, weshalb sie in der Stadt war. Und selbst wenn: Was sie hier taten, war kein Geheimnis. Schon gar nicht eines, wegen dessen mansie beschatten würde. Sie waren lediglich auf der Suche nach einer Antiquität, die nicht mal einen besonderen Wert besaß, wenn sie überhaupt noch existierte.
    Oder steckte vielleicht mehr dahinter?
    Hatte ihr Vater ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt, als er Chris und sie nach Europa geschickt hatte?
    Sofort verwarf sie den Gedanken wieder. Ihr Vater würde sie nie wissentlich einer Gefahr aussetzen.
    Oder?
    Sie richtete sich auf und schüttelte den Kopf. Schluss jetzt! Sie konnte ihn ja heute Abend anrufen und danach fragen.
    Aber erst musste sie sich Gewissheit verschaffen.
    Nur ein paar Meter weiter den Stradun entlang lag der englische Buchladen. Kati betrat das angenehm klimatisierte Ladenlokal und tat so, als betrachte sie die Bücher, die auf den Tischen vor dem Schaufenster lagen. Dabei ließ sie ihren Blick immer wieder über die Straße davor schweifen.
    Draußen sah es so aus wie stets um diese Zeit. Der Stradun, die breite Verbindungsader, die die Altstadt durchschnitt, war gedrängt voll von Touristen. Kati nahm einen Bildband über Kroatien auf und tat so, als blättere sie darin. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein gut aussehender Mann an eine Hauswand gelehnt und tippte auf dem Bildschirm seines Smartphones herum. Er hatte dunkle Haare, einen schmalen Schnurrbart und trug ein weißes Hemd. Wie ein Filmschauspieler aus den Vierzigerjahren, dachte sie, Douglas Fairbanks junior oder Errol Flynn. Doch die stellten bestimmt keinen jungen Frauen nach.
    Als habe der Mann ihre Gedanken gelesen, hob er den Kopf.Aber sein Blick galt nicht Kati, sondern einer attraktiven Blondine, die mit einem strahlenden Lächeln auf ihn zuging. Kati war erleichtert und zu ihrer eigenen Überraschung zugleich ein wenig eifersüchtig.
    Sie gab sich einen Ruck und verließ den Buchladen. Das Rupe-Museum hatte nicht ewig geöffnet. Und sie konnte sich die Antwort von Chris lebhaft vorstellen, wenn sie ihm heute Abend von ihrem Gefühl berichten würde, das sie von der Arbeit abgehalten hatte: »Du hast nicht genügend Schlaf, Kati. Das ist alles. Wir sitzen bis spät in der Nacht über unseren Unterlagen und fangen morgens früh an, da sieht man dann schon mal Gespenster. Vielleicht solltest du heute mal eher zu Bett gehen.«
    Vielleicht sollte sie das.
    Und trotzdem   … irgendetwas stimmte nicht. Mit Dubrovnik und seinen alten Geheimnissen. Mit dem Artefakt, nach dem Chris und sie suchten. Mit diesem unbekannten Verfolger. Es zog Unheil herauf, das spürte sie, so wie sie vorhin gespürt hatte, dass sie beobachtet wurde. Als Kind hatte Kati manchmal solche Vorahnungen gehabt. Ihr Vater, der genauso rational war wie Chris, hatte das stets als die überbordende Fantasie eines Kindes abgetan. Aber sie wusste damals schon, dass er unrecht hatte.
    Und heute?
    Heute musste sie selbst entscheiden, was sie glauben wollte und was nicht.
    Zumindest würde sie nicht weiterkommen, wenn sie hier in der Sonne stand und sinnierte. So würde sie weder ihren Beobachter entdecken (wenn es ihn denn gab), noch ihreArbeit getan bekommen. Also konnte sie sich ebenso gut auf den Weg machen.
    Das Rupe-Museum lag auf der anderen Seite der Altstadt. Kati kaufte sich in einem kleinen Supermarkt eine Flasche Mineralwasser. Der Tag war doch heißer geworden, als sie gedacht hatte, und sie hatte ihre Jacke schon lange ausgezogen und um
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