Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
talon017

talon017

Titel: talon017
Autoren: Treibjagd
Vom Netzwerk:
Talon Nummer 17

    „Treibjagd“

    von
    Thomas Knip

    Talon sah dem Pick-up Truck nach, der in einer hoch aufwirbelnden Staubwolke verschwand. Auf der Ladefläche stand ein dunkelhäutiger Mann, der ihn aufmerksam musterte, bis das Fahrzeug nicht mehr zu sehen war. Das Röhren des Motors dröhnte noch einige Zeit über die weit geschwungene Savanne und wurde dann langsam schwächer. Wie um die einkehrende Ruhe zu begrüßen, erklang aus einem der Akazienbäume das Krächzen eines Reihers, der sich kurz darauf mit schwerfälligen Flügelschlägen in den blassblauen Himmel schraubte.
    Der Mann, der mit nicht mehr bekleidet war als einem Lendenschurz aus Antilopenleder, massierte sich die Handgelenke und stieß mit den Füßen mehrmals auf dem trockenen Boden auf. Langsam kehrte das Blut in seine Gliedmaßen zurück. Ibn Saids Wachen hatten ihn gefesselt auf die Ladefläche des Trucks geworfen und die Seile erst durchschnitten, nachdem sie ihn hier ausgeladen hatten.
    Talon sah sich um. Die Akazienbäume mit ihren knorrigen Stämmen und breiten, flachen Kronen standen in dichten Gruppen zusammen und erlaubten nur an wenigen Stellen einen Blick bis zum Horizont, der sich im Dunst des frühen Morgens verlor. An manchen Stellen wuchs das gestrüppartige Unterholz so hoch, dass es sogar die Statur des Mannes überragte.
    Kurz entschlossen erklomm Talon einen der Bäume und hangelte sich über einen breiten Ast nach oben. Sobald er mehrere Meter überwunden hatte, verschaffte er sich einen Überblick über die Landschaft. Das trockene Gras der Savanne wogte wie ein ockerfarbenes Meer unter ihm. Talon lauschte durch das beständige Rascheln der Halme nach einem anderen Geräusch. Einem Geräusch, das ihm seinen Gegner verriet.
    Seine Gedanken wanderten zu dem gestrigen Abend zurück. Masud Ibn Said hatte ihn aus seiner Zelle bringen lassen und ihn wie eine Trophäe einem weiteren Mann mit arabischen Gesichtszügen präsentiert, den Talon in dem Zellentrakt bereits kurz gesehen hatte. Wobei Ibn Said kein Risiko einging. Er ließ ihn weiterhin gefesselt, und zwei seiner Männer standen direkt hinter ihm, um eine Flucht oder einen Angriff auf den Araber zu verhindern.
    Für den nächsten Morgen war eine „Safari“ angesetzt worden, wie der Sklavenhändler es nannte, in der Talon die Jagdbeute darstellen solle. Der Araber stellte ihm theatralisch in Aussicht, ihm wieder die Freiheit zu schenken, falls er die Frist bis zur Mittagszeit überstehen würde. Während dieser Rede musterte der andere Mann Talon ausgiebig und bedachte ihn mit einem ausdruckslosen Blick.
    Ihm sei natürlich klar, dass er versuchen würde zu fliehen, sobald er ihn in der Wildnis aussetzte, erklärte Ibn Said und löste sich aus der Sitzgruppe, um zu seinem Schreibtisch zu gehen. Deshalb habe er hier etwas, das dafür sorgen würde, dass er nicht ‚verloren’ gehe. Der Sklavenhändler entnahm einer Schatulle etwas, das in dem schwach ausgeleuchteten Bereich wie ein Revolver aussah.
    Er befahl seinen Männern, Talon umzudrehen. Kräftige Hände packten ihn an den Schultern und rissen ihn herum, dass er Ibn Said nun den Rücken präsentierte. Talon spürte, wie sich etwas kalt gegen sein Schulterblatt drückte, dann ließ ihn ein kurzer, heißer Schmerz unterdrückt aufzischen.
    Dies sei ein kleiner Peilsender, erklärte ihm der Araber und reichte seinem Gast einen kleinen Kasten, nicht größer als ein Taschenrechner. Talon blickte inzwischen wieder die beiden Männer an und sah, wie der zweite Mann das Gerät auf ihn richtete. Ibn Said nickte ihm aufmunternd zu. Ein helles, rasch aufeinander folgendes Piepsen war zu hören. Der Mann lachte auf und meinte, das sei ja wie im Film. Der Sklavenhändler erklärte, der Sender reiche über zwanzig Kilometer und zeige neben der Entfernung auch die grobe Richtung an. Dabei warf er Talon einen Blick aus kalt leuchtenden Augen zu, wobei er dünn grinste.
    Er habe einen Vorsprung von 15 Minuten, erklärte er. Danach sollen sich die Geier seiner gnädig erweisen. Mit diesen Worten ließ er Talon abführen, der zurück in den Kellertrakt geführt wurde. Bereits vor Sonnenaufgang war er geweckt und in dieses Gebiet gebracht worden.
    Talon atmete kräftig durch. Er schlang seinen Arm um eine abgestorbene Efeuranke, die von einer der über ihm verlaufenden Äste herabhing und spannte seinen Körper durch. Der Sender schmerzte mit einem leichten Pochen in seinem Rücken. Die ganze Nacht hindurch hatte Talon versucht, an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher