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Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"

Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"

Titel: Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"
Autoren: J. A. Souders
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Im Haus herrscht Totenstille. Kein guter Gedanke, wenn man einen Jagdausflug auf eine Insel plant, die angeblich von Geistern heimgesucht wird. Plötzlich wird mir eiskalt. Doch Geister hin oder her, ich werde heute auf dieser Insel jagen und mit massenhaft Fleisch zurückkommen.
    So leise wie möglich rüste ich mich mit Gewehr und Bogen aus und überprüfe noch mal den Rucksack, in dem alles Weitere verstaut ist. Munitionsvorrat? Check. Pfeile, Köcher, Ersatznocken und Spitzen? Check. Erste-Hilfe-Kasten? Check. Zusätzliches Verbandsmaterial? Check.
    Als ich in der Dunkelheit am Zimmer meines Bruders vorbeischleiche, packt mich kurz mein schlechtes Gewissen. Er hat sich furchtbar aufgeregt, nachdem er herausgefunden hatte, dass ich ihn zu dieser Jagd nicht mitnehmen würde. Ihm gegenüber habe ich behauptet, es sei zu gefährlich – was ja auch stimmt –, aber in Wirklichkeit will ich einfach mal Tristans ewigem Geschnatter entkommen. Irgendwann gelangt man an einen Punkt, an dem man sich am liebsten die Ohren abreißen würde.
    Außerdem redet sich Mom ein, ich sei nicht »sozial verträglich«. Sie meint, ich sollte mehr Zeit mit Leuten meines Alters verbringen oder, noch besser, mir eine Freundin suchen. »Ein nettes, hübsches Mädchen aus gutem Haus«, sagt sie immer wieder. Beim Gedanken daran rümpfe ich gequält die Nase. Im Prinzip hätte ich ja nichts gegen eine Freundin, aber die stellt normalerweise gewisse Ansprüche. Sie verlangt Zeit und Aufmerksamkeit – beides Dinge, die ich nicht besitze. Außerdem habe ich bereits vor langer Zeit gelernt, dass Freunde viel gefährlicher sein können als Feinde.
    Ich bin schon auf dem Weg zur Tür, als ich den Stoffbeutel auf dem Tisch entdecke. Mom lässt niemals etwas herumliegen. Erstens ist sie eine große Verfechterin der Ansicht, dass alles seinen Platz habe und stets an genau jenem liegen sollte, und zweitens muss man hier höllisch aufpassen, dass keine Insekten ins Haus kommen, weil man sie sonst nicht wieder loswird. Erst als ich mich über den Beutel beuge, entdecke ich die daran befestigte Nachricht. Unwillkürlich muss ich lächeln.
Ein paar Kleinigkeiten für deinen Ausflug. Ich bin so froh, dass du endlich Zeit mit Freunden verbringst! Mach dir um uns keine Sorgen, wir kommen schon klar, während du weg bist. Tristan wird sich wieder einkriegen. Viel Spaß und pass auf dich auf.
Mom
    Grinsend schiebe ich das Täschchen in meinen Rucksack. Ich weiß, was drin ist. Jedes Mal, wenn ich einen längeren Jagdausflug mache, gibt sie mir das Gleiche mit: Cookies. Sie sind so ziemlich das Einzige, was ich mir in den Outlands nicht beschaffen kann. Doch diesmal gehe ich nicht in die Outlands. Aber wenn Mom wüsste, wohin ich wirklich will, würde sie mich nicht gehen lassen.
    Bevor ich das Haus verlasse, werfe ich einen schnellen Blick auf das Porträt, das neben der Tür hängt. Ich drücke die Finger an die Lippen und berühre anschließend sein Bild. Wie jedes Mal, wenn ich gehe. Dad ist nun seit acht Jahren tot; seitdem kümmere ich mich alleine um die Familie. Er wurde in den Outlands getötet, bei einem Jagdausflug. Das besagt zumindest die offizielle Geschichte. Aber ich weiß es besser.
    Seufzend schaue ich zum nächtlichen Himmel hinauf und mache mich dann auf den Weg zum Strand. Ich umrunde die Bucht und warte auf meinen Jagdgefährten. Die Sterne sind verschwunden, und der Mond ist bereits untergegangen, aber es wird noch mindestens eine Stunde dauern, bis die Sonne aufgeht. Die Grillen singen seit Einbruch der Nacht nicht mehr, und die Vögel rühren sich noch nicht. Der perfekte Zeitpunkt.
    Denn niemand wird sehen, wie wir uns auf die Insel schleichen, was auch ganz gut ist, da wir uns eigentlich von dort fernhalten sollen wegen der »Geister«. Ich glaube nicht daran. Woran ich allerdings sehr wohl glaube, ist das Wild, das dort drüben prächtig gedeiht. Es ist Zeit für die Jagd, und ich werde mit so viel Fleisch zurückkommen, dass sich in meiner und Conns Familie für lange Zeit niemand mehr Gedanken um das Thema Essen machen muss. Davon können mich ein paar Gespenstergeschichten und ein oder zwei Vermisste sicher nicht abhalten.
    Leise Schritte im Sand holen mich in die Gegenwart zurück, und ich beobachte, wie Conn auf mich zukommt. Normalerweise gehen wir nicht zusammen auf die Jagd. Ich jage für gewöhnlich alleine, und wenn ich Gesellschaft brauche, nehme ich Tristan mit. Aber da es auf der Insel theoretisch gefährlich werden
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