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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts
Autoren: Andrea Camilleri
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können, um diese wundervolle Languste zu genießen, die Calogero ihm serviert hatte. In Wirklichkeit hatte er nur einen Gedanken, aber der war dermaßen quälend, dass er für zehn reichte. Dann musste er, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, die einzige Chance wahrnehmen, die ihm in der kurzen Zeit noch blieb, bevor der Koffer die Reise nach Mailand antrat: Orazio Genco. Es war vier Uhr nachmittags, um diese Zeit war Orazio - weit über siebzig und Einbrecher, nie gewalttätig, eine anständige Person, abgesehen von seinem Laster, eben in Wohnungen einzubrechen -bestimmt zu Hause und holte seinen in der Nacht versäumten Schlaf nach. Sie waren sich sympathisch, und Orazio hatte dem Commissario eine kostbare Sammlung von Dietrichen und Nachschlüsseln geschenkt. Orazios Frau Gnetta öffnete die Tür und sah Montalbano erschrocken an. »Commissario, was ist? Ist was passiert?«
    »Nein, nein, Gnetta, ich wollte deinen Mann nur mal besuchen.«
    »Kommen Sie herein«, sagte die Frau beruhigt. »Orazio ist krank, er liegt im Bett.«
    »Was hat er denn?« »So Schmerzen, so. so aromatische. Der Doktor sagt, dass er in der Nacht nicht draußen sein darf, wenn es feucht ist. Aber wie soll denn der brave Mann sonst arbeiten?«
    Orazio döste vor sich hin, aber als er den Commissario sah, richtete er sich halb auf.
    »Dottore Montalbano, was für eine schöne Überraschung!«
    »Wie geht's, Ora?«
    »Geht so, Dottore.«
    »Möchten Sie einen Espresso?«, fragte Gnetta. »Gern.«
    Als Gnetta das Zimmer verlassen hatte, stellte Orazio schnell klar:
    »Commissario, ich hab schon seit einem Monat nicht mehr gearbeitet, wenn also was war, dann.«
    »Darum geht es mir gar nicht. Ich hätte einen kleinen Auftrag für dich, aber ich sehe schon, dass du das Bett hüten musst.«
    »Ja, Dottore, tut mir Leid. Da müssen Sie selber ran. Sie wissen doch, wie das geht. Ich hab's Ihnen doch gezeigt!«
    »Ja, aber ich hab da einen Reisekoffer, den man auf- und wieder zumachen muss, ohne dass es jemand merkt. Verstehst du?«
    »Klar. jetzt trinken Sie erst mal in aller Ruhe Ihren Espresso, und dann reden wir.«
Kapitel 6
    Gegen sieben Uhr kam Fazio gut gelaunt zurück. Er machte es sich auf dem Stuhl vor Montalbanos Schreibtisch bequem, fischte ein zweimal gefaltetes Blatt Papier aus der Jackentasche und begann zu lesen:
    »Siracusa Alfredo, Sohn des verstorbenen Giovanni und der verstorbenen Scarcella Emilia, geboren in Fela am.«
    »Willst du dich mit mir anlegen?«, unterbrach Montalbano ihn.
    Fazio grinste.
    »Das war doch nur ein Witz, Dottore.«
    Er faltete das Blatt zusammen und steckte es wieder ein. »Ich hab Schwein gehabt, wenn ich das so sagen darf, Dottore.«
    »Ach ja?«
    »Ich konnte mit dem Apotheker Arturo De Gregorio sprechen.«
    »Und wer ist das?«
    »Der jetzige Inhaber der Apotheke, die Alfredo Siracusa gehört hat. Und zwar hat dieser De Gregorio gleich nach seinem Diplom an der Universität 1947 in der Apotheke Siracusa gearbeitet. In Wirklichkeit hat er sich um die Apotheke gekümmert, Dottore Siracusa hat nämlich den ganzen Tag gezockt oder war hinter einem Weiberrock her. Am 30. September 1949 hatte Dottor Siracusa auf dem Heimweg von Palermo einen Autounfall und war auf der Stelle tot.«
    »Was war das für ein Unfall?«
    »Keine Ahnung, anscheinend ist er plötzlich eingeschlafen. Wahrscheinlich hat er die Nacht mit irgendeiner Frau oder am Spieltisch verbracht. Er war allein. jedenfalls sagt Dottor De Gregorio keine Woche später zu der Witwe, wenn sie einverstanden sei, würde er gern die Apotheke übernehmen. Die Signora hält ihn eine ganze Weile hin, und Ende November einigen sie sich dann auf den Preis.«
    »Das interessiert mich alles überhaupt nicht, Fazio.«
    »Gleich, Dottore, ich komme gleich zur Sache. Dann macht Dottor De Gregorio Inventur. Anschließend an das Hinterzimmer, das als Lager benutzt wurde, gab es noch einen kleinen Raum mit einem Tisch, an dem Dottor Siracusa seinen Schreibkram erledigte, Rechnungen, Korrespondenz, Bestellungen. Aber eine Schublade ist abgeschlossen, und der Schlüssel ist nirgends zu finden. Der Dottore fragt die Signora danach. Die sucht sämtliche Schlüssel zusammen, die ihrem Mann gehörten, geht in die Apotheke, probiert alle Schlüssel durch, findet den richtigen und schließt die Schublade auf. Der Dottore sieht, dass lauter Briefe und Fotografien drinliegen, aber da schellt es an der Tür, und er geht den Kunden bedienen. Dann kommt noch einer. Schließlich
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