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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts
Autoren: Andrea Camilleri
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ehemalige Freundin besser ausgesehen. Aber genau das will sie nicht. Und erst in ihrer Todesstunde, als ihre Zunge für alle Gelüste, auch für die der Rache, unempfindlich geworden ist, beschließt sie, ihre Schuld zu offenbaren. Aber warum hat sie diese Briefe aufbewahrt und nicht wie die Fotos von ihrem Mann und der Hochzeit weggeworfen? Weil Maria Carmela intelligent ist. Sie weiß, dass die Wut, die sie angetrieben hat, eines Tages unweigerlich an Kraft verlieren wird, die verblassende Erinnerung an die Kränkung könnte dafür sorgen, dass sie jemandem erzählt, was wirklich geschehen ist, Cristina könnte freikommen.
    Dann brauchte sie nur einen dieser Briefe in die Hand zu nehmen, und der Wunsch nach Rache würde wieder lebendig, grimmig wie am ersten Tag.
    Am Morgen verließ Montalbano früh das Haus, geschlafen hatte er praktisch nicht. Als er die Kirche betrat, war Padre Barbera gerade mit dem Gottesdienst fertig. Montalbano folgte ihm in die Sakristei. Der Küster half dem Pfarrer, das Messgewand auszuziehen.
    »Geh jetzt und lass niemanden herein.«
    »Jawohl«, sagte der Küster und ging.
    Mit einem Blick begriff der Pfarrer, dass Montalbano jetzt wusste, was Maria Carmela Spagnolo gebeichtet hatte.
    Aber er wollte ganz sichergehen.
    »Haben Sie alles herausgefunden?«
    »Ja, alles.«
    »Wie haben Sie das gemacht?«
    »Ich bin Polizist. Es war eine Art Wette, hauptsächlich mit mir selbst. Aber es ist vorbei.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte Padre Barbera.
    »Natürlich. Wen interessiert denn schon eine Geschichte, die fünfzig Jahre zurückliegt? Maria Carmela Spagnolo ist tot, Cristina Ferlito ebenfalls.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Na ja, ich nehme an.«
    »Sie irren.«
    Montalbano sah ihn ungläubig an.
    »Sie lebt noch?«
    »Ja.«
    »Wo denn?«
    »In Catania, bei ihrer Tochter Agata, die ihr verziehen hat, als Cristina aus dem Gefängnis kam. Agata ist mit einem Bankangestellten verheiratet, einem tüchtigen Mann namens Giulio La Rosa. Sie haben ein Haus in der Via Gomez 32.«
    »Wieso erzählen Sie mir das?«, fragte der Commissario. Noch während er fragte, wusste er schon die Antwort des Pfarrers.
    »Damit Sie tun, was ich als Geistlicher nicht tun kann. Sie können einem Menschen jetzt, da er vom Leben nichts mehr erwartet, seinen Frohmut wiedergeben. Mit dem Licht der Wahrheit den letzten dunklen Lebensabschnitt dieser Frau erhellen. Gehen Sie und tun Sie Ihre Pflicht, Sie dürfen keine Zeitverlieren. Es wurde schon zu viel Zeit verloren.«
    Er legte Montalbano die Hände auf die Schultern und schob ihn Richtung Tür.
    Verwirrt machte Montalbano ein paar Schritte und blieb dann plötzlich stehen, wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Er drehte sich um.
    »Sie hatten alles genau geplant, als Sie an dem Morgen zu mir kamen! Sie haben das alles eingefädelt, Sie haben sich meiner bedient, und ich Idiot bin drauf reingefallen! Und das war auch alles Show, als Sie versuchten, mich davon abzubringen, Sie wussten, dass ich den Knochen nicht mehr loslassen würde. Sie wussten von Anfang an, dass wir so weit kommen, dass wir dieses Gespräch haben würden. Hab ich Recht, ja oder nein?«
    »Ja«, sagte Padre Barbera.
    Montalbano saß wütend und genervt am Steuer und zeterte gegen jeden Autofahrer, der sich mit ihm auf der Straße befand.
    Wie ein dummer kleiner Junge hatte er sich reinlegen lassen. Wie konnte das sein? Wieso hatte er nicht beizeiten gemerkt, dass Padre Barbera ihn in eine Falle lockte? Ganz schön scheinheilig, der Pfarrer! Das Sprichwort war eindeutig: Monaci eparrini, senticci la missa, e stoccacci U rini. Hör dir an, was Mönche und Pfaffen in der Messe sagen, aber hinterher tritt ihnen ins Kreuz. Ach, die verlorene Volksweisheit!
    Im Verkehr von Catania hatte er ausreichend Gelegenheit, jedem die Hörner zu zeigen und unflätig zu schimpfen. Dann erreichte er nach endlosem Herumgefahre schließlich das Haus in der Via Gomez. In dem winzigen Gärtchen beaufsichtigte eine ziemlich junge Frau zwei spielende Kinder.
    »Signora Agata La Rosa?«
    »Die ist nicht da, ich passe auf die Kinder auf.«
    »Sind das Kinder von Signora Agata?«
    »Wie bitte? Das sind ihre Enkel!«
    »Ich bin Kommissar, von der Polizei.«
    Die Frau sah ihn argwöhnisch an. »Und, ist was? Ist was passiert?«
    »Nichts, ich muss nur Signora Cristina etwas mitteilen. Ist sie da?«
    »Klar.«
    »Ich müsste mit ihr sprechen. Können Sie mich zu ihr bringen?«
    »Und was mach ich solang mit den Kindern?
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