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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts
Autoren: Andrea Camilleri
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tun?«
    »Geht so.«
    »Dann lass alles sausen. Ich hab einen Auftrag für dich, der dir Spaß machen wird. Du fährst jetzt gleich nach Fela. Es ist halb neun, um zehn bist du dort. Du musst ins Einwohnermeldeamt.«
    Fazios Augen glitzerten vor Freude. Er hatte eine Eigenart, die Montalbano >Personalientick< nannte: Er stellte nicht nur Tag, Monat, Jahr der Geburt eines Menschen fest, seinen Wohnort und wie der Vater und die Mutter hießen, sondern brachte auch die Namen des Großvaters und der Großmutter und des Urgroßvaters und so weiter und so fort in Erfahrung. Wenn er nicht durch eine normalerweise grobe Reaktion seines Chefs unterbrochen wurde, war er imstande, die Geschichte dieser Person bis in die Urgründe der Menschheit zurückzuverfolgen. »Was muss ich da machen?«
    Der Commissario erklärte es ihm, nachdem er ihm alles erzählt hatte, auch von Cristina und dem Prozess. Fazio verzog den Mund.
    »Dann muss ich ja gar nicht nur aufs Einwohnermeldeamt.«
    »Nein. Aber das macht niemand so gut wie du.«
    Keine fünf Minuten später ging Montalbano auch, er setzte sich ins Auto und machte sich auf den Weg zur Casa del Sacro Cuore. Die Manie, alles herausfinden zu müssen - der Antrieb für jede seiner Ermittlungen -, hatte sich seiner bemächtigt. jetzt gab es kein Zögern, keine inneren Widerstände mehr: Groschenroman oder Krimi, Tragödie oder Melodram, dieser Geschichte musste er einfach auf den Grund gehen.
    Er wurde beim Verwalter des Hauses vorstellig, Signor Inclima, einem dicken, herzlichen Mann Anfang fünfzig. Der setzte sich, auf Bitte des Commissario, an einen Computer.
    »Wissen Sie, Commissario, um solche Sachen kümmert sich Signor Cappadona, mein Stellvertreter, aber der hat Grippe und ist heute leider nicht gekommen.«
    Er hantierte eine Weile herum, drückte auf ein paar Tasten, aber man sah, dass er mit dem Computer nicht auf vertrautem Fuß stand. Schließlich redete er. »Ja, hier steht, dass sich alle persönlichen Gegenstände der verstorbenen Signora Spagnolo in unserem Lagerraum befinden, in einem Reisekoffer, der ihr gehört. Ich weiß aber nicht, ob er dem Neffen schon nach Mailand geschickt wurde.«
    »Und wie könnte man das feststellen?«
    »Kommen Sie mit.«
    Er zog eine Schublade auf und holte einen Schlüsselbund hervor. Sie verließen das Haus durch das Hauptportal. Im Park links befand sich ein niedriges Gebäude, ein Lager mit einer großen Tür, auf der, wohl um Missverständnisse von vornherein auszuschließen, >Lager< stand. Pakete, Schachteln, Koffer, Kassetten, Kisten, Behältnisse aller Art waren ordentlich an den Wänden entlang aufgereiht. »Wir bewahren alles sorgfältig und gut erreichbar auf. Wissen Sie, Commissario, unsere Bewohnerinnen sind alle, wie soll ich sagen, recht begütert. Und gelegentlich haben sie Lust, sich ein Kleidungsstück anzusehen oder einen Gegenstand, an dem sie hängen. Ah, da steht er ja noch, der Reisekoffer von Signora Spagnolo.«
    Haben denn, fragte sich Montalbano, weniger Begüterte keine Lust, Sachen, die ihnen wichtig waren, mal wieder anzuschauen? Bloß sind diese Sachen nicht mehr so gut erreichbar, sie sind verkauft oder im Pfandhaus. Der Reisekoffer war kein Reisekoffer. Er war eine Art kleiner Schrank, der auch wie ein Schrank aufrecht stand und so groß war wie der Commissario. Koffer von solchen Ausmaßen kannte Montalbano nur aus Filmen, die Ende des neunzehnten oder Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts spielen. Der hier war buchstäblich bis auf den letzten Zentimeter mit diesen runden, quadratischen oder rechteckigen Etiketten aus buntem Papier tapeziert, die die Hotels früher als Reklame auf die Koffer klebten. Ein Teil der Etiketten war von einem weißen Papier überdeckt, das noch feucht war vom Kleister und auf dem die Mailänder Adresse des Neffen stand.
    »Bestimmt kommt morgen der Spediteur«, sagte der Verwalter. »Wollen Sie sonst noch was wissen?«
    »Ja. Wer hat den Schlüssel zu dem Koffer?«
    »Da muss ich nachschauen, ob er noch bei uns ist oder ob der Ingegnere ihn schon abgeholt hat.«
    Es stellte sich heraus, dass er ihn bereits abgeholt hatte.
    Montalbano aß lustlos, ohne Appetit. »Sie machen mir heute keine Freude«, tadelte ihn Calogero, der Wirt der Trattoria. »Wenn ein Gast wie Sie so isst, dann vergeht einem wie mir die Lust am Kochen.«
    Der Commissario entschuldigte sich und versicherte, das liege an den vielen Gedanken, die er im Kopf habe und die er nicht weit genug habe wegscheuchen
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