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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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sich ihr hüftlanges, blondes Haar über die Schultern und schüttelte ihr weites, helles Kleid aus, als wäre es zerknittert. Obwohl sie klein war, war sie doch wohlproportioniert. Sie lächelte die menschliche Dienerin an. Menschen fiel es sehr viel leichter, mit den Tyrrfholyn in ihrer menschlichen Gestalt zu reden.
    » Sie wird nicht weit weg sein « , meinte Hra-Esteron.
    » Vielleicht ist sie mit Kanura unterwegs « , mutmaßte Enygme.
    » Das bringt uns zu unserer Frage zurück: Wo treibt sich Kanura herum? « , fragte der Fürst.
    » Langsam mache ich mir doch Sorgen! «
    » Vielleicht « , murmelte nun Aruyen, die hinter das Herrscherpaar getreten war, » sind sie ja nur irgendwo zu zweit unterwegs und … « , sie räusperte sich anzüglich.
    » … und bringen die dynastische Planung durcheinander? Das fehlte noch! « , donnerte Hra-Esteron.
    » Solange sie nicht den Uruschge zum Opfer fallen, soll es mir recht sein « , murmelte Enygme. Dann schwieg sie unvermittelt, und ihr Blick ging in die Weite. Plötzlich bekam sie weiche Knie und setzte sich abrupt ins Gras.
    Hra-Esteron war sofort neben ihr.
    » Was ist, mein Mädchen? « , fragte er hastig. Nachtblaue Augen ruhten besorgt auf ihr.
    » Ich weiß nicht. « Enygme strich sich fahrig durch die Haare. » Aber ich habe auf einmal ein so schreckliches Gefühl. Ich hoffe, es ist keine Vorahnung. «
    Esteron runzelte die Stirn, und das Mal auf seiner Schläfe zuckte. Er nahm Vorahnungen sehr ernst, besonders wenn sie von Enygme kamen. Er blickte in die Ferne, auf den harmlosen, blauen Himmel, auf die sanft hügelige Landschaft, die sich nach Norden hin immer weiter erhob, bis hin zu den Trutzbergen, die dann schier in die Wolken ragten und sich darin verloren, ohne dass man je ihre Gipfel ausmachen konnte. Die Grenze des Reiches, eine Wand, deren oberes Ende man nie sah.
    Alles wirkte so friedlich. Doch auch er spürte es. Spürte es seit Tagen. Der Frieden trog. Er musste Kanura finden. So schnell wie möglich.

Kapitel 3
    Würde er fliehen, wäre er vermutlich schneller als jeder Verfolger, dachte Kanura. Mit Recht war er auf seine Geschwindigkeit stolz: Er war der schnellste Hengst seiner Herde. Sogar schneller als sein Vater.
    Das war bisweilen gut so.
    Allerdings wusste er nicht, wie schnell die Uruschge waren. Bei ihrem Ruf konnte man nicht umhin, zu argwöhnen, dass sie in vielen Dingen den Tyrrfholyn überlegen waren – und sei es nur, weil Bösartigkeit sie trieb und ihre Magie keinen moralischen Zwängen unterworfen war.
    Das Wasser in dem kleinen See hob sich, als bekäme es eine plötzliche, glattpolierte Beule, die allen physikalischen Gesetzen zuwiderlief. Kanuras Gesichtsmuskeln zuckten vor Anspannung. Das Zucken lief über seinen ganzen Körper und ließ seine Seele kalt erbeben.
    Doch er weigerte sich, sich von seiner Furcht übermannen zu lassen. Er war hergekommen, um etwas herauszufinden. Zugegeben, es war dumm gewesen, ohne Verstärkung nach den Mördern seines Freundes zu suchen. Ein Kampf lag plötzlich im Bereich des Realen. Und wer kämpfte, konnte immer auch verlieren. War er zu überheblich gewesen?
    In diesem Moment brach sich das Wasser auf dem Scheitelpunkt des unmöglichen Wasserhügels und troff von einer Gestalt herab, die sich aus den Fluten erhob. So sahen sie also aus, die Uruschge! Nicht zum Fürchten. Eher mitleiderregend.
    Das junge Mädchen kroch auf Kanura zu, zog sich mühsam ans Ufer und blieb dort liegen: matt, die Unterschenkel noch im Wasser, als könnte es nicht weiter. Bei Nähe betrachtet war es von so ungeheurer Schönheit, dass dem Fürstensohn der Atem stockte. Mit Ungeheuern hatte er gerechnet, aber nicht mit dieser überwältigenden Anmut. Goldenes Haar fiel ihr bis zu den schlanken Schenkeln. Ihre Augen waren vom gleichen tiefen Blau wie das Meer. Ihre Gestalt war von so unvergleichlicher Präzision, ein Kunstwerk, das kein Traumwerker hätte schöner gestalten können.
    Außerdem war sie nackt.
    Es vergingen einige wertvolle Sekunden, in denen Kanuras junger Körper vollständig sein Denken übernahm und sein Gehirn jedes Detail der schönen Mädchengestalt in sich aufsog. Wie eine Urgewalt trieb es ihn dazu, sich der Frau zu nähern und ihr sein Horn und so viel mehr in den Schoß zu legen.
    Doch etwas in Kanura kämpfte gegen den Drang an, sich zu wandeln. Leise verfluchte er seine Erregung. Wie konnte dieser verführerische Anblick ihn so rasch die Bedrohung durch die Uruschge vergessen lassen?
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