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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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wurden rot. Das Lächeln erhielt Zähne, die lang waren und spitz. Aus den Händen schossen lange, dolchartige Krallen hervor.
    Kanura stolperte erschrocken rückwärts, doch schon war die Kreatur da und griff nach ihm.
    Flieh!, hatte Ssenyissa gesagt.
    Das hätte er wohl tun sollen.
    Nun war es zu spät.

Kapitel 4
    Una fuhr nicht mehr mit ihrer Mutter in Urlaub. Sie war dafür zu alt. Eigentlich.
    Mit achtzehn Jahren und gerade bestandenem Abitur reiste man nicht mit der Mutter zum hundertsten Mal an den stets gleichen, verstaubten Ort im Nirgendwo von Westirland, um die stets gleichen Hügel zu erkunden und über die stets gleichen Täler den stets gleichen Kommentar zu hören: » Schau nur, ist das nicht schön! « Stattdessen sollte man irgendetwas Abgefahrenes mit Freunden unternehmen.
    Sie hatte ja auch etwas Abgefahrenes vorgehabt, mit Jan hatte sie verreisen wollen, quer durch Frankreich bis nach Spanien. Mit dem Jungen, den sie liebte.
    Aber dann hatte Jan sich kurzfristig umentschieden und machte nun die Reise mit Lara. Die gleiche Reise. Unas Reise. Mit Unas Freundin. Una war ersetzt worden, einfach so. In beinahe letzter Minute, ohne große Erklärung. Per SMS .
    » Macht man das jetzt so? « , hatte ihre Mutter gefragt und sich ein » Ich habe es doch gleich gewusst! « verkniffen, das dann unausgesprochen zwischen ihnen gestanden hatte und dort immer noch stand. Seit Unas Vater Martin sich hatte scheiden lassen und nun mit einer Frau zusammen war, die näher an Unas Alter war als an dem ihrer Mutter, war das Thema Männer manchmal schwierig.
    Allein zu Hause sitzen hatte Una aber auch nicht gewollt. Also eben wieder mal Irland, das Mietcottage in der Grafschaft Clare, wie in so vielen anderen Sommerferien auch.
    » Romantisch! «, nannte ihre Mutter das Zweizimmerhüttchen ohne Fernseher, dafür aber mit dem offenen Torffeuer.
    Auf Romantik konnte Una zurzeit gut verzichten. Darunter stellte sie sich sowieso und grundsätzlich auch etwas ganz anderes vor, als ums Haus rumgehen zu müssen, wenn man zur Toilette wollte. Nicht, dass es in der Gegend nicht dutzendweise hübsche, moderne Hotels oder Gästehäuser mit vernünftigen EU -geförderten Badezimmern, Fernsehen und WLAN gegeben hätte. Nein, es musste ja » romantisch « sein.
    Scheißromantik.
    Und so trat Una mit einer gewissen Wut in die Pedale. Ihr Leihfahrrad war nicht eben die Krone der Fortbewegungstechnik. Es war schwarz und schwer und hatte eine völlig veraltete Dreigangschaltung. Wenigstens war die Grafschaft Clare nicht übermäßig bergig.
    Einen Vorteil hatte dieser Urlaub, dachte sie ironisch, sie würde fit wie ein Turnschuh zurückkommen. Sie war allein unterwegs, hatte sich Ziele gesetzt, die schwer zu erreichen waren und für die man eine Weile unterwegs war. Den ganzen Tag. Oder auch zwei; dann würde sie in irgendeinem B&B übernachten, allein. Hauptsache weg von so viel » Romantik « .
    Tatsächlich war sie sich nicht mehr sicher, ob die Couch zu Hause in Deutschland nicht entschieden spannender gewesen war. Daheim hätte sie immer noch die Chance gehabt, vielleicht andere Jungs kennenzulernen und Romantik nicht im Außenklo suchen zu müssen. Hier gab es nur sehnige Farmer in Gummistiefeln, mit Tweedmütze auf dem Kopf und zu wenigen Zähnen.
    Ja, die Landschaft war schön. Grün. Mit kritzegelben Ginsterflecken. Und grauen Steinen. Nett. Und damit hatte es sich dann auch schon.
    Ihre Mutter fand Irland unvergleichlich toll. Ihre Eltern hatten sich vor fünfundzwanzig Jahren hier kennengelernt, spielten beide irische Musik, hatten sich auf Sessions mit den Einheimischen vergnügt. Ihre Mutter tat immer noch so, als würde sie einmal im Jahr dazugehören zu den Musikern und den Guinnesstrinkern, den zahnlosen Tweedmützenträgern und zu einer Kulturszene, in der man zu höflich war, um der enthusiastischen Deutschen zu sagen, dass auch in Irland kein Mensch Torffeuer und Außenklos noch romantisch fand – oder jemals romantisch gefunden hatte.
    Zugegeben, als Musikerin war ihre Mutter tatsächlich so gut, dass Una sich nicht völlig fremdschämen musste. Aber trotzdem.
    Una schwitzte. Es war warm. In Spanien wäre es heißer gewesen – in jedem Sinn des Wortes, aber da hätte sie nicht mit dem Fahrrad Erkundungstouren zu irgendwelchen historisch-kulturellen Stätten gemacht, nur um weg zu sein. Heilige Quellen interessierten sie in etwa so viel wie die Durchschnittsgeschwindigkeit einer afrikanischen Schwalbe unter Last.
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