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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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seiner magischen Fähigkeiten. Panik erfüllte ihn. Was, wenn es stimmte, dass man einem Tyrrfholyn die Magie dadurch rauben konnte, dass man sein Horn abschlug oder seinen Leberfleck verletzte? Die alten Legenden erzählten von Einhörnern, die plötzlich kaum mehr als Pferde gewesen waren, unfähig, sich zu wandeln, oder von Tyrrfholyn, die sich von Menschen nicht mehr unterschieden und daran zugrunde gingen. In jenem Krieg, der zur Legende geworden war, hatten sie einander so etwas angetan.
    Nun war er im Krieg. Kanura spürte, wie ihm Blut über das Gesicht lief, und er versuchte, den Schmerz auszublenden, der ihm bis tief ins Gehirn schnitt. Kampftraining hatte er erhalten. Alle Tyrrfholyn konnten kämpfen. Aber es war immer nur zur Übung gedacht gewesen, eher als spielerischer Rangkampf in einer Gesellschaft, die über solche Duelle längst hinaus war. Er war ein Tyrrfholyn und kein Herdengaul.
    Kanura tänzelte seitwärts, einen Augenblick lang irritiert, dass er nur zwei und nicht vier Füße hatte.
    Sein Dolch schnitt durch die Luft, ein wenig ungeschickt, denn mit dem ersten Streich war er mit dem Arm zu tief gekommen, hatte sich vom Schwung führen lassen anstatt vom Verstand.
    Wieder schlugen die Krallen nach ihm, doch diesmal war er schneller. Er wich aus und packte das Handgelenk der Angreiferin. Es fühlte sich kalt und klamm an, beinahe tot. Kanura nutzte den Schwung des Angriffs seiner Feindin, um ihren Arm weiter nach unten zu drücken, und setzte seine ganze Kraft ein, sie herumzureißen.
    Doch es war, als kämpfte er mit einer Weide, die zwar biegsam war, aber doch fest im Boden verwurzelt.
    Ohne weiter nachzudenken, schoss er mit der anderen Hand vor und zielte mit der Waffe nach ihrem Gesicht. Noch während er zuschlug, spürte er sein Widerstreben, Gewalt gegen ein Wesen einzusetzen, das auf den ersten Blick zart und schön war und schwächer schien als er. Seine Faust streifte das liebreizende Gesicht nur. Talunys! War dieses Wesen schnell! Wie ein Aal wusste es sich zu winden und zu drehen, war dabei viel stärker, als Kanura es ihm zugetraut hätte. Instinktiv wusste Kanura, dass es sich ihn verbeißen und ihn fressen würde, wenn er hier verlor.
    Erneut schoss seine Hand mit dem Schwung über das Ziel hinaus. Die Uruschge waren Wasserkreaturen, und tatsächlich schien es, als kämpfte er mit einem glitschigen Fisch. Plötzlich packte ihn eine krallenbewehrte Hand und umklammerte sein Handgelenk mit eisernem Griff.
    Kanura schlug mit dem linken Bein nach vorne aus und traf die Frau mit Wucht am Knie. Ein Zischen belohnte ihn mit der Erkenntnis, dass er ihr tatsächlich hatte wehtun können. Bislang war er sich dessen nicht einmal sicher gewesen.
    Im nächsten Moment erkannte er jedoch, dass sein Tritt ein Fehler gewesen war, denn noch während er auf einem Bein stand, drang sie nun nach vorne, und er kippte nach hinten. Kanura rang um sein Gleichgewicht, suchte nach der Wendigkeit, die er auf vier Füßen hatte und auf nur einem schmählich vermisste. Ihm wurde bitter bewusst, dass er diesen Kampf gerade verlor. Panik und Wut jagten ihm durch die Seele, dennoch gelang es ihm, sich zu drehen. Nun fiel die Frau mit ihm, wie ein gefällter Baum machte sie seine Bewegung mit. Sie war schwer, ganz und gar nicht nymphenhaft. Es gelang Kanura, sich noch im Stürzen weiter zu wenden, und so fiel sie nicht auf ihn, sondern neben ihn.
    Der Fürstensohn war kein Ringer, und das Kämpfen im Liegen fiel ihm schwer. So konnte er seiner Feindin, als sie mit dem Kopf nach vorne schnellte, nichts entgegensetzen: Die langen Zähne schnappten zu und streiften seinen Hals. Er spürte, wie ihm nun auch hier Blut aus den Wunden strömte. Der Schmerz kam verspätet in seinem Bewusstsein an, als hielte ihn die Kampfeswut zurück.
    Die Augen des Wesens hatten sich erneut verändert. Eben noch blutunterlaufen rot, zeigten sie nun wieder das tiefe Blau der Nymphenaugen. Selbst der Ausdruck in ihnen war tief erschrocken und ängstlich und mochte einen eher dazu bringen, es in Schutz zu nehmen, als es zu bekämpfen.
    Doch der Zauber wirkte nicht mehr auf Kanura. Während ihm das Blut in den Kragen rann, verlieh ihm die Wut über so viel Arglist neue Kraft. Wütend stieß er mit den Fingern nach den meerblauen Augen, deren Blick auf die andere Hand mit dem Dolch gerichtet war, und traf!
    Ein heiseres Wiehern durchschnitt die Luft und ließ seine empfindlichen Trommelfelle vibrieren. Dies war nicht der Aufschrei eines
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