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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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Hügels und zeichnete mit der ihm eigenen, fast weiblichen Sorgfalt den Fund ein. Wahrscheinlich stammte die Kugel aus einem englischen Gewehr, denn diese gab es in dieser Gegend am häufigsten. Das Datum? Doch wohl jüngste Zeit - etwa 1950 n. Chr. da das Geschoß einige Altersspuren aufwies. Und diese Angabe trug er ein. Dann skizzierte er mit präzisen Strichen die Kugel und schrieb dazu: 2:1. Das sollte heißen, daß die Zeichnung doppelt so groß war wie das Original.
    (Wäre das Gegenteil der Fall gewesen, hätte er den Maßstab 1: 2 angegeben.) Nachdem er seine beinahe verspielt anmutende Eintragung über diesen Fund Nummer eins der Ausgrabung noch einmal überprüft hatte, setzte er sauber seine Initialen J. C. hinzu.

    Als Cullinane den letzten Punkt gesetzt hatte, blickte er auf. Das wichtigste Mitglied des Teams, eben aus Jerusalem angekommen, hatte den Tell erklettert, um seinen Kollegen zu begrüßen. Dieser große, schlanke Jude war zwei Jahre älter als Cullinane. Tiefliegende Augen blickten unter dunklen Brauen hervor. Sein dunkles Haar fiel ziemlich weit über die Stirn. Er hatte eingefallene Wangen, aber volle Lippen, die gern lächelten, und die Art seiner Bewegungen ließ ahnen, daß er zugleich Soldat und Gelehrter war. Augenblicklich arbeitete er in einem Ministerium in Jerusalem; daß man ihn für die Zeit von Mitte Mai bis Mitte Oktober nach Makor eingeladen hatte, freute ihn, denn er war studierter Archäologe. Seine politische
    Begabung war der Regierung allerdings so wertvoll, daß er nur selten für solche Aufgaben freigestellt wurde. Seine Position in Makor war doppeldeutig. Nach außen hin sollte er als Verwaltungschef des Projekts fungieren und sich um Gehälter, Arbeitszeit, Unterkunft und Verpflegung kümmern. Stand an solcher Stelle ein untüchtiger Mann, lag immer die Gefahr in der Luft, daß es unter den so verschiedenen Menschen, die an der Ausgrabung beteiligt waren, zu zeitraubendem Streit um Nichtigkeiten kam, wenn nicht gar zu offener Feindschaft. So hatte man Dr. Ilan Eliav als eine Art Diktator für Makor bestellt. Allerdings würde kein Mensch etwas davon merken, denn er war ein brillanter Verwaltungsmann, dazu einer, der niemals die Geduld verlor, und außerdem der vielleicht erfahrenste Gelehrte des Unternehmens, der eine Vielzahl von Sprachen beherrschte. Sein größtes Plus aber war dies: Er rauchte Pfeife und hatte die Angewohnheit, diese so lange zwischen seinen Handflächen zu reiben, bis noch jeder, der mit einer Beschwerde zu ihm gekommen war, von selbst einen vernünftigen Ausweg gefunden hatte, ohne daß Ilan Eliav intervenieren mußte. Von früheren Ausgrabungen her wußte man, wie das zuging. Ein Arbeiter meinte: »Ich will mal eben rein und sehen, ob die Pfeife mir ‘ne Lohnerhöhung gibt.« Und der liebenswürdige Israeli mit den tiefliegenden Augen hatte dagesessen und zugehört, als breche ihm das Herz. Der Pfeifenkopf indessen drehte sich langsam und unentwegt in seinen Händen, bis dem Arbeiter die ganze Ungeheuerlichkeit seiner Forderung nach Lohnerhöhung    gerade jetzt
    klargeworden war. In Wirklichkeit hatte Dr. Eliav offiziell den Auftrag, diese Ausgrabung zu überwachen. Die Tells von Israel waren viel zu wertvoll, als daß man jedem Beliebigen, der da mit einem Trupp von Amateuren anrückte, hätte gestatten können, sie auszuschlachten. Mehr als hundert noch unversehrter Stätten wie Makor gab es im Land. Und man konnte damit rechnen, daß irgendwann im Laufe der nächsten zwei oder drei Jahrhunderte sogar Forscherteams aus Tokio oder Peking kamen; vielleicht brachte auch eine gelehrte Gesellschaft in Kalkutta oder Kairo die nötigen Summen auf, diese vergessenen Städte auszugraben. Man hätte also der heutigen wie der zukünftigen Menschheit einen schlechten Dienst erwiesen, wollte man diese Stätten verwüsten lassen. Das Problem war besonders akut, wenn Archäologen wie Cullinane vorschlugen, nach der Suchgrabenmethode zu arbeiten, denn in ganz Israel hatten nicht wenige allzu Begeisterte, aber auch allzu Unfähige mit ihren Spaten geradezu Verbrechen gegen die Historie begangen, indem sie allzu voreilig ihre Gräben durch unsachgemäß aufgenommene Schichten gezogen hatten. Unter normalen Umständen hätte die Regierung von Israel auch die von Cullinane vorgeschlagene Technik des Suchgrabens abgelehnt. Nur dank seines guten Rufes als vorzüglicher Archäologe war ihm die Genehmigung erteilt worden. Trotzdem hatte man Dr. Eliav von seinem
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