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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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die Karten zur Seite und sprang aus dem Jeep. Mit langen Schritten stieg er den steilen Hang hinan und schwang sich schließlich auf die rund hundertachtzig Meter lange und knapp hundertzwanzig Meter breite Hochfläche. Irgendwo an diesem Hügel mußte er seine Leute zum ersten Spatenstich ansetzen. Ob die Grabung ein Erfolg oder ein Mißerfolg wurde, hing in geradezu bedrückendem Maße davon ab, wie klug er diese erste Stelle wählte. Er wußte von Archäologen, die dabei kein Glück gehabt hatten und sich durch völlig fundleere Schichten arbeiten mußten, während andere, die später zu dem gleichen Tell gekommen waren, aber das richtige Einfühlungsvermögen mitgebracht hatten, schnell auf die lohnenden Schichten gestoßen waren. Cullinane hoffte, einer von diesen Glücklichen zu sein.
    »Überlegst du, wo wir beginnen?« fragte Tabari, als er das Plateau erreichte. Der Ire wartete auf Frau Dr. Bar-El und sagte: »Ich halte es wie Sir Flinders Petrie. Er ging an seine Ausgrabungen nach folgendem Prinzip heran: Wenn man hundert verschiedenen Gemeinschaften den Auftrag gibt, auf hundert verschiedenen Hügeln eine Stadt anzulegen, werden mehr als neunzig ihre Hauptgebäude auf der nordwestlichen Seite errichten. Niemand weiß, warum. Möglicherweise wegen der Sonnenuntergänge. Darum neige ich natürlich auch dazu, den Nordwesten zu wählen. Unseren Schutt können wir übrigens hier loswerden.« Er zeigte zum Nordrand der Hochfläche; von hier aus erblickte man, was von der Straße aus nicht sichtbar gewesen war: ein steil eingeschnittenes, jetzt kein Wasser führendes Flußbett. Im ganzen Orient nennt man ein solches Flußbett Wadi. Dieses Wadi hier hatte mit seinen steilen Flanken Makor immer wieder vor feindlichen Heeren geschützt, die von Norden her angreifen wollten. Es war tief genug, den Schutt des ganzen Tell aufzunehmen -vorausgesetzt, ein Millionär gab ausreichend Geld für eine Totalausgrabung.
    Für die Arbeit in Makor, wie Cullinane sie vorhatte, waren zehn Jahre geplant bei einem Kostenaufwand von 50000 Dollar pro Jahr. Da er jedoch nur das Geld für die ersten fünf Jahre hatte, war es wesentlich, so rasch wie möglich an interessante Stellen zu kommen. Denn er wußte sehr wohl, daß Leute, die archäologische Ausgrabungen finanzieren, nur dann weitere Summen zur Verfügung stellen, wenn ihr Interesse während des ersten Jahres wachgehalten wird. Werden keine Funde gemeldet, klappen sie sehr schnell ihr Scheckbuch wieder zu. Deshalb war es entscheidend, daß er die richtigen Stellen für seine Suchgräben wählte; selbst wenn er volle zehn Jahre damit verbrachte, nur einige bestimmte Schichten zu ergraben, konnte sein Team immer nur weniger als fünfzehn Prozent des gesamten Tell ausgegraben haben. Seinem Kuratorium in Chicago hatte er erklärt: »Unseres Wissens enthält dieser Tell ungefähr zwanzig verschiedene Kulturschichten. Sie werden verstehen, daß über fünfzig Jahre nötig wären, wenn ich diese alle wissenschaftlich einwandfrei nach und nach abhebe, bis schließlich nur noch der ursprüngliche Kern übrigbleibt. Wir werden deshalb durch sämtliche Schichten zwei kurze Suchgräben ziehen. Das wird ein Jahr dauern. Wenn wir damit fertig sind, wissen wir aber schon in etwa, was zu erwarten ist. Sollten uns in den folgenden Jahren weitere Gelder zur Verfügung stehen, kehren wir zurück und werden an solchen Stellen, die Erfolg versprechen, tiefer graben. Haben Sie also bitte Geduld! Ich wiederhole: Wir können unmöglich den gesamten Tell ausgraben, wohl aber können wir uns ein Bild machen von dem, was sich dort zugetragen hat. Das ist es, worauf wir aus sind.«
    »Ist es nicht ziemlich wichtig, wo Sie die ersten Gräben ziehen?« hatte ein Mitglied gefragt.
    »Genau darüber werde ich mir die nächsten sechs Monate den Kopf zerbrechen«, war Cullinanes Antwort gewesen. Und nun hatte die Stunde der Entscheidung geschlagen.
    Der Mann, der an diesem Morgen oben auf dem Tell stand, war nicht einfach nur mit Begeisterung und Spaten ins Heilige Land gekommen. Er hatte ein langes und gründliches Studium der Archäologie hinter sich. An der Harvard-Universität hatte er das Lesen aramäischer, arabischer und althebräischer Handschriften gelernt. Bei seinem Doktorvater, Professor Albright von der Johns-Hopkins-Universität, waren ihm die Keilschriften Mesopotamiens und die Hieroglyphen Ägyptens derart vertraut geworden, daß er sie lesen konnte wie der Durchschnittsmensch die Zeitung. Ein
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