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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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Cullinane zunächst keine Gelegenheit einer Begegnung mit dem jüdischen Staat, denn der erste, der ihn erkannte, war ein Araber, ein gut aussehender europäisch gekleideter Mann, etwa Ende dreißig, der vom Ufer aus auf englisch rief: »Willkommen, willkommen, alles wartet schon.« Zwei Generationen britischer und amerikanischer Archäologen waren mit diesem Zuruf begrüßt worden, entweder - wie jetzt - von Dschemail Tabari oder von seinem berühmten Onkel Mahmud, der bei den meisten Ausgrabungen im Lande mitgewirkt hatte. Dr. Cullinane vom Biblischen Museum in Chicago konnte beruhigt sein. Viele Jahre hatte er davon geträumt, einen der schweigenden Hügel des Heiligen Landes freilegen zu dürfen und dabei vielleicht sogar Neues über die Geschichte des Menschen und seiner Götter, Neues über ihr Verhältnis zueinander zu entdecken. Während er darauf wartete, daß der Frachter festmachte, blickte er hinüber zur Bucht von Akko, diesem Kleinod unter den Häfen. Von dort hatte ein Großteil der geschichtlichen Ereignisse, die er ergründen wollte, seinen Ausgang genommen. Phönizier, Griechen, Römer, Araber und Kreuzritter - sie alle waren hier an Land gegangen. Ihre Spuren zu verfolgen, bedeutete für einen Archäologen wie Cullinane die schönste Aufgabe seines Lebens. »Hoffentlich mache ich meine Sache gut«, flüsterte er.
    Zunächst waren die Papiere für die gewichtige Ausrüstung, die im Frachter verstaut war, zu prüfen - für die Bücher, Chemikalien, Fotoapparate, die kleine Diesellok und tausend andere Dinge, auf die ein Laie niemals kommen würde. Als das erledigt war, lief Cullinane die Gangway hinunter und umarmte Tabari. Der Araber erzählte: »Es hätte gar nicht besser vorangehen können. Doktor Bar-El wird gleich hier sein. Die anderen Amerikaner haben schon angefangen, und der Fotograf kommt heute nachmittag mit dem Flugzeug aus London.«
    »Wie ist’s mit dem Wetter?« fragte Cullinane, ein magerer, hochgewachsener Mann Anfang vierzig, Katholik irischer Abstammung. Er hatte an der Harvard-Universität und in Grenoble studiert und sich durch Ausgrabungen in Arizona, Ägypten und im Gebiet südlich von Jerusalem bereits einen Namen gemacht. Unter normalen Umständen wäre es einem Katholiken allerdings unmöglich gewesen, nun eine solche Grabung zu leiten, denn früher waren die Leiter der vom Biblischen Museum vorgenommenen Ausgrabungen meist protestantische Pfarrer gewesen. Für dieses Vorhaben hatte jedoch ein Jude aus Chicago den Hauptteil des Geldes zur Verfügung gestellt und gemeint: »Ist es nicht eigentlich an der Zeit, daß einmal ein Fachmann die Arbeit übernimmt?« So hatte man sich auf Cullinane geeinigt, zumal er Hebräisch, ein wenig Arabisch und Französisch sprach. Er gehörte zu jenem neuen Gelehrtentyp, Bürstenschnitt, gründlich ausgebildet und ohne Sinn für das Unnütze. Bei seiner Abreise von Chicago war er von einem Zeitungsreporter gefragt worden, ob er sich erhoffe, irgendwelche Belege dafür aufzufinden, daß die Bibel doch recht habe. Cullinane hatte geantwortet: »Nein, wir sind nicht darauf aus, Gott unter die Arme zu greifen.« Diese respektlose Antwort sprach sich schnell herum. Als der Geschäftsmann, der immerhin eine Viertelmillion Dollar für die Ausgrabung zur Verfügung gestellt hatte, von dieser schlagfertigen Bemerkung hörte, wußte er, daß sein Geld in die richtigen Hände gelangt war.
    »Das Wetter ist bestens«, antwortete der Araber mit der Sprachgewandtheit eines Mannes, dessen Vater Sir Tewfik Tabari gewesen war, einer jener prominenten Araber, die das Vertrauen der Engländer gehabt hatten. Sir Tewfik, mit hohen Orden dekoriert, hatte seinen Sohn nach Oxford geschickt in der Hoffnung, er werde wie er selbst die Beamtenlaufbahn einschlagen. Schon als Junge jedoch war Dschemail begeistert von der Arbeit seines Onkels Mahmud gewesen, der buchstäblich Geschichte ausgrub. Und die Professoren in Oxford hatten ihn denn auch zu einem erstklassigen Archäologen ausgebildet. Im Jahre 1948 waren dann die britischen Truppen aus Palästina abgezogen, der Freistaat Israel wurde ausgerufen, und der Krieg zwischen Arabern und Israelis begann. Damals hatte der zweiundzwanzigjährige Dschemail lange mit sich gerungen, was er tun solle, und schließlich die für einen Tabari typische Wahl getroffen: Er war in Akko geblieben und hatte tapfer gegen die Juden gekämpft. Als dann aber die bunt zusammengewürfelte Armee, in der er gedient hatte, vernichtet war,
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