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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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erklärte er, daß er weder in Ägypten noch in Syrien um Asyl bitten werde. Er wolle in Israel bleiben, wo er immer gelebt habe, und mit den Juden zusammenarbeiten, um das vom Krieg zerstörte Land wiederaufzubauen. Die Folge dieses beherzten Entschlusses war nicht nur, daß er sehr beliebt wurde. Er war ja auch beinahe der einzige studierte Araber, den man zu den vielen archäologischen Ausgrabungen überall im ganzen Land heranziehen konnte. Wenn Dschemail an einer Fundstätte mitarbeitete, so bedeutete dies, daß dort nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gegraben wurde. Er war es aber auch, der die einfachen Arbeiter bei guter Laune hielt. Bei ihnen lief das Wort um: »Dschemail hat mal sechs Meter tief gegraben mit nichts als einem Kamelhaarpinsel.«
    Während die beiden Freunde noch miteinander sprachen, hielt draußen vor dem Zollamt quietschend ein Jeep. Eine zierliche, etwa dreißigjährige Frau sprang heraus, rannte an dem protestierenden Posten vorbei und gab Cullinane hastig einen Kuß.
    »Schalom, John. Wie schön, daß du wieder da bist.« Es war Dr. Vered Bar-El, Israels führende Expertin im Datieren von Keramikfunden. Ihre Mitarbeit war für Dr. Cullinanes
    Ausgrabungen unentbehrlich. Denn diese kleine Frau mit den strahlenden Augen verfügte über die ungewöhnliche Gabe, alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen der letzten fünfzig Jahre im Gedächtnis parat zu haben. Wann und wo immer also jemand wie Cullinane oder Tabari ihr eine Tonscherbe zeigte, Rest eines vielleicht vor siebentausend Jahren passierten häuslichen Malheurs, brauchte sie das Stück nur anzusehen, um sich mit ihrem einzigartigen Gedächtnis sofort ähnlicher Stücke zu erinnern, die man in Ägypten, in Jericho oder Beit Mirsim gefunden hatte. Archäologen aus fünf Ländern nannten sie nur »unser wandelndes Lexikon«. Und sie besaß außerdem eine besonders sympathische Eigenschaft: Sie konnte auch zugeben, wenn sie einmal etwas nicht wußte. So klein sie war, so bildschön war sie - es war eine Freude, sie bei einer Ausgrabung dabei zu wissen. Sie war zugleich eine der ersten Fachkräfte von Rang, die ausschließlich in Israel studiert hatten. Bei der Gründung des Staates 1948 erst siebzehn Jahre alt, hatte sie die Hebräische Universität in Jerusalem besucht.
    »Laß die Geräte, wo sie sind«, sagte sie mit ihrem melodischen hebräischen Akzent, »ich habe zwei unserer Leute mitgebracht, die Wache stehen, bis ausgeladen ist. Jetzt wollen wir erst einmal zur Grabungsstelle. Ich kann’s kaum erwarten, daß wir anfangen.« Sie ging mit Cullinane zum Jeep, und mit einigen geschickten Drehungen des Lenkrades hatte sie den Wagen bald auf der uralten Straße von Akko nach Zefat, die von dort weiter nach Damaskus führte, der Hauptstadt Syriens.
    Als sie in diese wahrhaft historische Straße einbogen - über fünftausend Jahre war sie eine Hauptverkehrsader von Ost nach West gewesen, durch die einst die Schätze Asiens nach Venedig und Genua geströmt waren -, wollte Cullinane sich zunächst einmal orientieren. »Könntest du einen Augenblick anhalten?« fragte er Frau Vered. »Es tut mir leid, aber wenn ich schon am Anfang durcheinander gerate, finde ich mich später nie mehr zurecht.« Er stieg aus dem Jeep, blickte auf seine Karte und drehte sich dann in die Richtung, aus der sie gekommen waren: »Geradeaus im Westen liegen also Akko und das Mittelmeer. Zu meiner Rechten die Kreuzritterburg Starkenberg, links Jerusalem. Hinter mir, in östlicher Richtung, der See Genezareth. Und wenn du in der Richtung, in der der Wagen jetzt steht, weiterfährst, kommst du nach Zefat, und dann schließlich nach Damaskus. Stimmt’s?«
    »O. K. Ende«, sagte Tabari. Er fand es merkwürdig, daß sich ein Mann im Heiligen Land zu orientieren versuchte, indem er sich von Jerusalem abwendete. Einige Kilometer lang unterhielten sich die Fahrenden über die Ausgrabung, die nun beginnen sollte, und darüber, wie die Arbeit verteilt war. »Der Fotograf aus London ist ausgezeichnet«, versicherte Cullinane seinen Kollegen. »Wißt ihr, der Bursche, der in Jericho so gute Arbeit geleistet hat. Und unser Baufachmann ist erste Klasse. Universität von Pennsylvania. Ich habe übrigens noch keine Zeichnungen von dem Mädchen gesehen, das ihr ausgesucht habt. Kann sie etwas?«
    »Für Yigal Yadin in Hazor war sie gut genug«, sagte Frau Dr. Bar-El. »Ach, das ist das Mädchen? Wie seid ihr denn an die gekommen?«
    »Wir bilden schließlich
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