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0947 - Geballte Wut

0947 - Geballte Wut

Titel: 0947 - Geballte Wut
Autoren: Simon Borner
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Sie wusste, in welche Richtung sie ihr inneres Feuer lenken musste, um den größtmöglichen Nutzen aus ihm zu gewinnen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Gesichter derer, die in seiner Glut vergehen würden wie dürre Äste. Den Dämon. Den smarten Mittzwanziger, der ganz oben auf McCains Liste gestanden hatte. Den jugendlichen Erbfolger. Die Frau mit ihrem Gesicht.
    Und den Mann, der im Zentrum allen Geschehens stand. Der, bei dem sich sämtliche Wege kreuzten, die zu beschreiten sie ihr Schicksal gezwungen hatte.
    Auch er würde sterben. Bald.
    Zamorra!
     
    »Mit geballten Fäusten denkt niemand mehr klar.«
    - George Jean Nathan
    Prolog
    »Zamorra, mach auf! Ich weiß, dass du zu Hause bist.«
    Abermals schlug seine Faust gegen das Holz der Eingangstür von Château Montagne. Irgendwo hinter ihm zwitscherten Vögel, und in der Luft hing der vielversprechende Hauch eines neuen Morgens. Beides ignorierte er.
    »Zamorra! Ich werde nicht ewig warten, klar?«
    Als sich die Tür endlich öffnete, stand William vor ihm, der stets stocksteif wirkende Butler des Professors. »Chefinspektor, welche Freude, Sie begrüßen zu dürfen. In welcher Angelegenheit wünschen Sie den Professor zu Sprech…«
    »Verzeihen Sie, William, aber für Formalitäten haben wir keine Zeit.«
    Seufzend schob Pierre Robin, seines Zeichens Leiter der Mordkommission bei der Lyoner Polizei, den Butler beiseite, nickte seinen zwei uniformierten Begleitern zu und trat über die Schwelle des imposanten Anwesens im französischen Loire-Tal.
    »Zamorra!«, rief er noch einmal, sowie er das Foyer erreicht hatte. »Verflucht, warum machst du's uns so schwer?«
    »Mache ich das, ja?«, erwiderte der Meister des Übersinnlichen. Professor Zamorra kam gerade aus einem Flur zu Robins Linker, hatte ein angebissenes Croissant in der Hand und den Geruch nach frischem Bohnenkaffee im Atem. Hinter ihm drangen drei seiner Hausgäste in den Raum. Robin erkannte sie als McMour, Rhett und diese junge Crentz, die vor einiger Zeit in der Gegend aufgetaucht war.
    Praktisch…
    »Guten Morgen, Pierre«, fuhr Zamorra fort und sah ihn fragend an. »Was verschafft uns die Ehre, dich so früh und unangemeldet bei uns zu haben?«
    Pierre nahm einen unverschlossenen Briefumschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn ihm. »Das hier«, antwortete er knapp. »Ein Haftbefehl. Mademoiselle, ich muss Sie auffordern, uns zum Revier zu begleiten. Wenn Sie die bitte anlegen würden?« Bei der letzten Bemerkung zog er ein paar Handschellen aus der Tasche und hielt sie vor der Crentz in die Luft. Die Augen des vielleicht achtzehnjährigen jungen Dings wurden groß.
    »Aber… Was?« Rhett schnappte nach Luft. »Das ist doch lachhaft. Was erlauben Sie sich?«
    »Was immer nötig ist, um das Leben und den Besitz der Bewohner Lyons zu schützen - und der von Paris«, antwortete Pierre äußerlich ungerührt, spürte aber, wie ihm dieser Einsatz zunehmend an die Nieren ging. Selbst Schuld. Hätte ja auch Richter oder einen anderen Kollegen schicken können. Aber nein: Ich wollte es persönlich übernehmen, meinem alten Freund die schlechte Nachricht zu bringen. Er hat es verdient. Wenigstens das.
    »Paris?« Zamorra runzelte die Stirn. »Du meinst, Kathryne habe in Paris ein Verbrechen begangen?«
    »Ich meine es nicht«, murmelte Pierre, trat vor und ergriff die immer noch wie vom Blitz erschlagen da stehende junge Frau bei den Schultern. »Ich weiß es.«
    Mit einer geübten Bewegung drehte er Kathryne die Arme auf den Rücken und schloss die metallene Fessel um ihre Handgelenke. Klickend rasteten die Schellen ein.
    Sie leistete keinerlei Widerstand. »Darf ich fragen, was genau ich getan haben soll?«, fragte sie mit leiser Stimme. Irrte er sich, oder hörte er da Resignation?
    »Das wissen Sie doch selbst, Mademoiselle: Sie haben Eric Zann ermordet, einen armen Straßenmusiker. Pech für Sie, dass das Ganze vor Zeugen geschah, die Sie eindeutig identifizieren konnten.«
    »Lächerlich!«, brauste Rhett abermals auf. »Welche Zeugen sollen das sein, he? Zeigen Sie sie mir!«
    Pierre sah den jungen Burschen eindringlich an. »Ich zum Beispiel«, sagte er schließlich. » Ich war Zeuge.«
    Dann nickte er seinen uniformierten Kollegen zu. »Abführen.«
    Während die Männer die gefesselte Kathryne Crentz zum Ausgang führten, sah Pierre Robin ein letztes Mal über die Schulter zu seinem alten Weggefährten Zamorra, der ihn unverwandt und ein wenig nachdenklich
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