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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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hier bei uns auch ein paar Künstler aus«, sagte die kleine Sachverständige für Keramik, und Cullinane dachte: Ich darf ihren Nationalstolz nicht vergessen. Wirklich, ich darf es nicht. Laut sagte er: »Wenn es das Mädchen ist, das die Zeichnungen für Hazor gemacht hat, haben wir Glück gehabt.«
    »Das haben wir auch«, erwiderte die Frau Doktor kampflustig. Als sie sich der Stelle näherten, die den ersten Blick auf den Ausgrabungshügel freigab, schwiegen plötzlich alle drei. Cullinane beugte sich nach vorn, starr vor Erregung.
    Im Norden waren Anhöhen aufgetaucht, die seit undenklichen Zeiten diese Straße vor Räubern aus dem Libanon geschützt hatten. Im Süden lagen ähnliche Hügel, die auch nach dieser Richtung hin Sicherheit boten. Dazwischen ein kleines Tal, an dessen Nordseite kurze, scharfe Klippen aufragten wie die Finger geöffneter Hände. Es war, als wollten sie jeden Angreifer abwehren, der es wagen sollte, diese uralte, pulsierende Lebensader abzudrosseln. Dr. Bar-El fuhr um eine Biegung, und dann, nach einigen Minuten, sahen sie es vor sich - das geheimnisvolle Ziel.
    Es war Makor, ein kahler Hügel mit dem Umriß etwa einer halben Ellipse, der sich da am Fuß einer der vorspringenden Klippen erhob. Zweierlei fiel an ihm auf: Oben war er ganz flach, als habe eine Riesenhand ihn glattgestrichen, während seine Seiten ebenmäßige Hänge bildeten, in einem Winkel von 45 Grad abfallend - als habe die gleiche Riesenhand mit einem Finger auch noch die Kanten abgeschrägt. Ganz unnatürlich sah dieser Hügel aus, wie eine Festung ohne Mauern, ein Eindruck, der noch verstärkt wurde durch die schroffe Klippe hinter ihm, durch die darauf folgenden Anhöhen und durch das alles andere überragende wilde Gebirge. Der Hügel hatte ganz offensichtlich den vorgeschobenen Posten in einer Kette von Befestigungen gebildet, gleichsam die niedrigste von vier Stufen. Er war geradezu ideal gelegen, zu seinem eigenen Schutz ebenso wie zur Sicherung der wichtigen Straße, die an seinem Fuß vorbeiführte.
    Sein richtiger Name lautete Tell Makor. Tell - dieses Wort bedeutete, daß die Leute hier wußten, wie dieser Hügel entstanden war: nicht als ein natürliches Gebilde, geformt durch geologische Kräfte, sondern von Menschenhand; daß hier die Reste von Siedlungen lagerten, eine nach der andern entstanden, eine nach der andern verlassen, und jede die Ruinen der vorangegangenen überdeckend - endlos weit in die
    Geschichte zurück. Von dem Felsuntergrund, auf den die ersten Siedler von Makor gebaut hatten, bis zu der Grasnarbe der heutigen Oberfläche waren es 21,7 Meter: eine Aufhäufung zerbrochener Ziegel, geborstener Steinmauern, zerstörter Wehrtürme, verlorener Feuersteingeräte der Urzeit und, am wertvollsten von allem, von Scherben aus Ton. Gerade sie sollten, gereinigt und von Dr. Bar-El geprüft, die Geschichte dieser erhabenen und zugleich so erregenden Stätte erzählen.
    »Wir haben uns den besten Tell des Landes ausgesucht«, versicherte Dr. Cullinane seinen Mitarbeitern und entnahm seiner Aktentasche die vorläufigen, nach Luftaufnahmen gefertigten Karten; ein Netz von Quadraten, deren Kantenlänge jeweils zehn Metern in der Natur entsprach, war über das Kartenbild gezogen. In diesem Augenblick fühlten die drei Archäologen im Jeep nur dieses: Aus eigenem Entschluß hatten sie sich diesem Hügel bereits so verbunden, daß es ihnen einfach gelingen mußte, dem innersten Innern dieses Hügels die Geheimnisse einer einst lebendigen Wirklichkeit zu entreißen. Gestern noch war Tell Makor nur ein Hügel gewesen, der an der Straße von Akko nach Damaskus in ungestörtem Schlummer lag; heute schon war er ein sorgfältig erkundetes Angriffsziel, an dem nicht ein einziger Pickel nutzlos eingesetzt werden sollte.
    »Laßt uns mal mit der Karte 1: 100000 von Palästina vergleichen«, schlug Cullinane vor. Tabari faltete einen Teil dieser ausgezeichneten, von englischen Landmessern vor Jahren geschaffenen Landkarte auseinander. An Hand der Planquadrate bestimmten Cullinane und Tabari die Lage von Tell Makor so genau, daß von nun an auch jeder andere Archäologe aus der ganzen Welt den Ort lokalisieren konnte: Von heute an trug diese Stätte ihrer Mühen die Bezeichnung 1707 2584. Die ersten vier Ziffern gaben die Position in ostwestlicher, die letzten vier in nord-südlicher Richtung an.
    Weder in Israel noch in Asien oder in der übrigen Welt konnte es in Zukunft eine Verwechslung geben. Cullinane legte
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