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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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Doyle, seit sie zusammensaßen,
gesprochen hatte, der Wahrheit entsprach. Die Doyles hatten Walsh nie
denunziert, Joan wusste nichts über die Erniedrigung, die Margaret bei den
Talbots widerfahren war, und sie war ihrem Mann nie untreu gewesen. Nun blieb
nur noch eines aufzuklären.
    »Sagt
mir, wusstet Ihr, dass Eure und meine Familie sich vor langer Zeit entzweit
haben?« Und Margaret erzählte ihr die Geschichte über den Erbstreit.
    Es
stand außer Frage – Joan Doyle war keine Schauspielerin –, ihr erstaunter und
entsetzter Blick war nicht geheuchelt, konnte es nicht sein. Sie hatte nie
zuvor von dieser Erbschaft gehört.
    »Das
ist ja schrecklich«, rief sie. »Ihr meint, wir haben das Geld Eures Vaters?«
    »Mein
Vater war fest davon überzeugt, dass die Butlers kein Anrecht darauf hatten«,
präzisierte sie. Und dann meinte sie hinzufügen zu müssen: »Er kann sich
getäuscht laben.«
    »Aber
es muss ihm eine furchtbare Pein gewesen sein.« Wieder sah Joan nachdenklich
aus, dann hatte sie eine Idee. »Wir können«, so schlug sie vor, »das Darlehen
löschen.«
    »Lieber
Gott«, sagte Margaret nun höchst verwirrt. »Ich weiß nicht, was ich sagen
soll.«
    Doch
Joan Doyle sah nicht so aus, als hörte sie ihr zu. Sie schien in Gedanken
versunken. Schließlich streckte sie die Hand aus und berührte Margarets Arm.
    »Unter
diesen Umständen hättet Ihr leicht eine Abneigung gegen mich entwickeln
können«, sagte sie lächelnd. »Es war sehr lieb von Euch, dass Ihr sie nicht
hattet.«
    »Oh«,
sagte Margaret hilflos. »Wie könnte ich.«
    Als Cecily Tidy
hörte, was vor sich ging, lief sie rasch vom Westtor zur Skinners Row. Denn auf
dem weiten Vorhof der Christ Church–Kathedrale loderte vor den Augen einer
Menschenmenge, unter der sich auch der Ratsherr Doyle befand, ein Feuer. Es
diente weder dem Zweck, die Armen, denen die Mönche Essen und Obdach boten, an
diesem Wintertag zu wärmen, noch gehörte es zur Feier der Wintersonnenwende. Das
Holz war auf Befehl von niemand Geringerem als George Browne, dem Erzbischof
von Dublin, aufgeschichtet und angezündet worden, der wenige Minuten, bevor
Cecily eintraf, herausgetreten war, um sich zu vergewissern, dass die Flammen
hochschlugen.
    Der
Erzbischof schickte sich an, einige der größten Schätze Irlands zu verbrennen.
    Als
Cecily zum Ort des Geschehens kam, waren gerade zwei kleine Karren, von sechs gallowglasses begleitet, an das Feuer geschoben
worden. Die beiden Beamten, die nun anfingen, sie zu entladen, waren eben von
einer Rundreise durch die Kirchen der Vororte zurückgekehrt. Einer trug einen
Hammer und einen Meißel. Sein Kollege warf gerade mit Hilfe eines Soldaten eine
kleine, aber wohl doch schwere Holzstatue der heiligen Maria ins Feuer. Das
Verbrechen dieser Statue, für das sie eine solche Bestrafung verdiente, war, dass
sie angebetet worden war.
    »Lieber
Gott«, murmelte Cecily, »werden sie uns alle zu Protestanten machen?«
    *
* *
    Auf
dem Karren, der dem Scheiterhaufen am nächsten stand, lag zwischen all den
Reliquienschreinen und mit Edelsteinen besetzten Schatullen ein Totenschädel
mit einem goldenen Reif, so etwas wie ein Trinkgefäß. Ein englischer Soldat
hatte ihn aus dem Haus eines unverschämten Lehrjungen mit auffallend grünen
Augen mitgenommen. Der Soldat wusste nicht genau, was es war, doch da er den
Befehl hatte, alles dem Feuer zu übergeben, das nach heidnischer,
götzendienerischer Vergangenheit roch, hatte er den Totenschädel mit zur
übrigen Beute geworfen. Das Gold könnte aber von Wert sein. Heftig protestierend
hatte der grünäugige Lehrjunge erklärt, der Totenschädel sei ein
Familienerbstück, und als er mit dem Soldaten darum zu ringen begann, hatte der
sein Schwert gezogen, und der junge Mann musste ihn widerwillig gewähren
lassen.
    Cecily
sah voll Entsetzen zu. Wenn man irgendeinen Beweis für die wahre Natur des
ketzerischen Königs und seiner Handlanger brauchte, dann wurde er hier geboten.
Sie spurte, wie in ihr Zorn gegen diese Gottlosigkeit aufstieg und sich bei dem
Gedanken an einen solchen schrecklichen Verlust Verzweiflung breit machte. Sie
blickte in die Menschenmenge. Wollte denn nicht irgendjemand etwas unternehmen?
Sie hatte schon längst die Hoffnung auf die meisten Dubliner aufgegeben, doch
es fiel ihr schwer zu glauben, dass gar niemand auch nur ein Wort dagegen
sagte.
    Und
sie selbst, was tat sie?
    Noch
vor drei Jahren hätte sie die Beamten zumindest angebrüllt und sie
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