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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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Hals,
Armreife aus Golddrahtgeflecht, Ohrringe und Sonnenscheiben aus getriebenem
Gold – die irischen Goldschmiede waren ihren europäischen Kollegen überlegen.
Man könnte sie als Zauberhandwerker bezeichnen.
    * * *
    Nun würde jeden
Augenblick die Sonne über dem Horizont erscheinen und das Meer in gleißendem
Licht erstrahlen lassen.
    An
einer Stelle in der Mitte der Ostküste gab es zwischen zwei Landzungen eine
ausgedehnte, freundliche Bucht. Der südliche Landvorsprung bot in Richtung
Süden an der Küste entlang Aussicht auf eine Reihe von Hügeln und auf zwei
vulkanische Berge, die sich so elegant vom Meeresstrand erhoben, dass sich ein
Besucher in die wärmeren Klimazonen von Süditalien versetzt wähnen konnte.
Oberhalb der anderen Landspitze erstreckte sich eine breite Ebene nordwärts auf
die weiter entfernten Berge zu, die unterhalb des verschwundenen Damms lagen,
der einst zu der zweiten Insel führte. In der Mitte der Bucht dehnten sich
weite Marschen und Sandbänke einer Flussmündung.
    Die
Sonne brach über den Horizont und sandte einen brennenden goldenen Blitz über
das Meer. Und als die Sonnenstrahlen über die nördliche Landspitze der Bucht
und die dahinter liegende Ebene jagten, schoss ihnen ein antwortender
Blitzstrahl entgegen, als hätten sie einen riesigen kosmischen Reflektor auf
dem Boden getroffen. Dieser Blitz war in der Tat bemerkenswert, denn er kam von
einem riesigen, höchst merkwürdigen Objekt, das von Menschenhand geschaffen
war.
    Etwa
fünfundzwanzig Meilen nördlich der Bucht gab es einen anderen stattlichen
Fluss, der nach Osten ins Meer mündete. Er führte durch ein Tal, dessen üppiges
grünes Land stellenweise den fruchtbarsten Boden der Erde enthielt. Und auf dem
sanft abfallenden Höhenrücken über dem nördlichen Ufer des Flusses hatten die
Bewohner der Insel mehrere riesige und eindrucksvolle Bauwerke errichtet, deren
bedeutendstes gerade diesen blendenden Lichtstrahl in den Himmel geschickt hatte.
    Es
waren riesige kreisrunde Grashügel, deren zylindrische Seitenwände und konvexe
Dachgewölbe auf eine äußerst sorgfältige Konstruktion schließen ließen. An
ihrer Basis reihten sich monumentale Steine, die mit eingeritzten Zeichen
–Kreisen, Zickzacklinien und seltsam halluzinatorischen Spiralen – bedeckt
waren. Das Erstaunlichste war jedoch, dass die gesamte, der aufgehenden Sonne
zugewandte Oberfläche mit weißem Quarz verkleidet war; und diese riesige
gewölbte, kristallene Wand war es, die nun, während sie den Sonnenaufgang
einfing, funkelte, aufleuchtete und ein reflektiertes Sonnenfeuer zurück in den
Himmel strahlte.
    Aber
wer waren die Erbauer dieser Monumente über den stillen, von Schwänen
durchzogenen Wassern des Flusses? Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Und zu welchem Zweck hatten sie diese Hügel errichtet? Als letzte Ruhestätte
für ihre Prinzen – so viel ist bekannt. Aber welche Prinzen darin ruhten oder
ob ihr Geist gut oder bösartig war, das lässt sich nur vermuten. Wie dem auch
sei, dort ruhten sie, die uralten Ahnen der Menschen auf dieser Insel, als
dienstbare Geister und harrten der Dinge, die noch kommen sollten.
    Diese
großen Hügel waren aber nicht nur Gräber, sondern zugleich auch heilige
Stätten, die zu bestimmten Zeiten die göttlichen und geheimnisvollen Kräfte des
Universums empfingen, die das Land mit kosmischem Leben beschenkten. Und dies
war der Grund, weshalb man in der Nacht, die soeben zu Ende ging, das Tor zu
dem Heiligtum geöffnet hatte.
    In
der Mitte der strahlenden Quarzfassade befand sich nämlich ein schmaler
Eingang, der von monumentalen Steinen flankiert war. Drinnen führte ein
unmerklich ansteigender, gerade verlaufender Gang, der von »stehenden Steinen«
gesäumt wurde, in das Zentrum des gewaltigen Erdhügels. Er endete in einer
dreiteiligen Kammer mit kleeblattförmigem Grundriss. Viele der Steine im Innern
des Gangs und der Kammer waren wie die auf der Außenseite mit eingravierten
Mustern verziert worden; besonders auffällig war das Muster von wirbelnden
Dreierspiralen. Der schmale Gang war so ausgerichtet, dass genau in dem Moment,
da der Tag der Wintersonnenwende anbrach, das Antlitz der aufgehenden Sonne,
während sie über den Horizont stieß, direkt durch den kleineren Spalt über dem
Eingang blickte und seine warmen Strahlen den dunklen Gang entlang bis ins
Zentrum des Hügels schickte.
    Hoch
in den Himmel schossen nun die Sonnenstrahlen über die Bucht, über die
Küstenlinie
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