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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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zu haben, wagte aber nicht, länger hinzusehen, um mich zu vergewissern.
    Alle Augen ruhten auf mir. Ich musste mich zwingen, weiterzugehen.
    Jetzt konnte ich die Herrin deutlich sehen. Ganeda war damals gerade in mittleren Jahren und nach den Kindern, die sie zur Welt gebracht hatte, rundlich geworden. Ihre Haare, die einmal rot gewesen waren, hatten, verlöschender Kohle gleich, einen grauen Schimmer angenommen. Ich blieb vor ihr stehen und fragte mich, welche Verbeugung der Herrin von Avalon wohl angemessen wäre. Meine Kinderfrau hatte mir beigebracht, wie man allen Ständen bis hinauf zur Kaiserin seine Ehrerbietung erweist, obwohl es wenig wahrscheinlich war, dass ein Cäsar noch einmal den weiten Weg nach Britannien fände.
    Es kann nicht falsch sein, wenn ich sie wie eine Kaiserliche Hoheit begrüße , dachte ich. Denn in ihrem Reich ist sie ja Kaiserin .
    Als ich mich aufrichtete, begegnete ich kurz ihrem Blick, und einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, Ganedas finstere Miene hellte sich belustigt auf, aber vielleicht hatte ich es mir auch nur eingebildet, denn im nächsten Moment stand die Hohepriesterin wieder mit versteinertem Gesicht vor mir.
    »Also…«, ergriff Ganeda endlich das Wort. »Du bist nach Avalon gekommen. Warum?« Sie schoss die Frage wie einen Speer aus dem Dunkel ab.
    Ich starrte sie an, und plötzlich fehlten mir die Worte.
    »Ihr habt das arme Kind erschreckt«, sagte eine der Priesterinnen, eine mütterlich aussehende Frau mit hellen Haaren, die gerade zu ergrauen begannen.
    »Die Frage war einfach, Cigfolla«, versetzte die Hohepriesterin barsch. »Ich muss sie allen stellen, welche die Schwesternschaft von Avalon aufsuchen.«
    »Sie möchte wissen«, erklärte Cigfolla, »ob du aus freien Stücken hierher gekommen bist und von niemandem dazu gezwungen wurdest. Willst du zur Priesterin ausgebildet oder nur eine Zeit lang unterrichtet werden, ehe du wieder in die Welt zurückkehrst?« Sie lächelte mir aufmunternd zu.
    Ich dachte mit gerunzelter Stirn nach und hielt die Frage schließlich für berechtigt.
    »Es war der Wille meines Vaters, dass ich jetzt, da die Sachsen uns überfallen, hierher komme«, erwiderte ich bedächtig und erblickte so etwas wie ein zufriedenes Flackern in Ganedas Augen. »Aber es war schon immer meine Bestimmung, nach Avalon zurückzukehren«, fuhr ich fort.
    Wenn es einen Zweifel gegeben hätte, die Fahrt durch die Nebel hätte ihn zerstreut. Das war der Zauber im Herzen aller Dinge, den ich schon immer dahinter vermutet hatte. In diesem Augenblick hatte ich mein Erbe erkannt.
    »Den Weg einer Priesterin zu gehen ist mein ureigenster Wunsch…«
    Ganeda seufzte. »Bedenke wohl, was du dir wünschst, denn es kann dir widerfahren. Dennoch hast du die Worte ausgesprochen, und am Ende ist es die Göttin, die darüber zu befinden hat, ob sie dich annimmt, nicht ich. Deshalb heiße ich dich hier willkommen.«
    Unter den anderen Priesterinnen war ein Raunen zu hören nach dieser widerwilligen Begrüßung. Ich blinzelte, um meine Tränen zu unterdrücken, und begriff, dass meine Tante mich hier nicht haben wollte und ohne Zweifel die Hoffnung nährte, ich möge versagen.
    Aber ich werde nicht versagen! , schwor ich mir. Ich werde eifriger lernen als alle anderen und eine große Priesterin werden - so berühmt, dass man sich noch in tausend Jahren an meinen Namen erinnern wird!
    Ganeda seufzte. »Komm.«
    Mein Herz schlug wie wild, als ich auf sie zutrat, und ich fürchtete schon, Eldri könnte davon wach werden. Ganeda breitete die Arme aus. Sie ist ja kaum größer als ich! , dachte ich verwundert, als ich mich in die zögerliche Umarmung der alten Frau beugte. Die Hohepriesterin hatte zuvor so groß und stattlich gewirkt.
    Dann packte mich Ganeda an den Schultern und zog mich fest an ihre Brust. Eldri, derart zwischen uns zerdrückt, wachte mit plötzlichem Zucken auf und jaulte überrascht. Die Priesterin ließ mich los, als wäre ich ein Stück heißer Kohle, und ich spürte, wie mir verräterische Röte ins Gesicht stieg, als der kleine Hund den Kopf durch meinen Halsausschnitt steckte.
    Ich vernahm unterdrücktes Kichern, doch mir verging das Lachen unter Ganedas finsterem Blick.
    »Was soll das? Willst du dich hier über uns lustig machen?« In der Stimme der Priesterin schwang ein Unterton mit, der wie fernes Donnergrollen klang.
    »Es ist ein Feenhund!«, rief ich, und mir traten Tränen in die Augen. »Die Leute vom See haben ihn mir
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